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DOI: 10.1055/s-0033-1337217
Elektrophysiologische Phänotypen der motorischen Impulskontrolle
Einleitung:
Die Fähigkeit zur Impulskontrolle ist eine zentrale Exekutivfunktion und wesentlich für die soziale Interaktion im Alltag. Verschiedene neurologische und psychiatrische Krankheiten wie Morbus Parkinson, Chorea Huntington, die Borderline-Persönlichkeitsstörung und das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom sind durch eine Störung der Impulskontrolle gekennzeichnet. Eine Operationalisierung der motorischen Reaktionsinhibition als eine Komponente der Impulskontrolle ist unter anderem der Go/Nogo Task. Die neuronalen Korrelate der Reaktionsinhibition wurden häufig mittels funktioneller Bildgebung (fMRT) und elektrophysiologischer Methoden untersucht. Nichtsdestotrotz sind die funktionelle Bedeutung und zeitliche Interaktion der neuronalen Netzwerkkomponenten nur unvollständig geklärt. Zudem spielen interindividuelle Unterschiede bei komplexen kognitiven Funktionen wie der Exekutive eine wichtige Rolle.
Methode:
In dieser kombinierten EEG/fMRT Studie wurden die Daten von 40 gesunden Probanden mit einem mittleren Alter von 40 Jahren mit einem buchstabenbasierten Go/Nogo Paradigma simultan mit 64-Kanal EEG und 3T fMRT erhoben. Ein zentraler Aspekt dieser Studie war die Identifizierung elektrophysiologischer Komponenten, die spezifisch für die Reaktionsinhibition sind. Dazu wurde das EEG-Signal mittels einer Independent Component Analysis in zeitlich unabhängige Komponenten (ICs) zerlegt. Anschließend wurden die inhibitorischen Komponenten selektiert, die innerhalb eines Zeitfensters vor- bzw. nach der mittleren individuellen Go-Reaktionszeit signifikant stärker in der Nogo- als in der Go-Bedingung aktiviert wurden.
Ergebnisse:
Nogo-spezifische elektrophysiologische Komponenten (siehe Methoden) mit einer signifikanten Aktivierung innerhalb eines bestimmten Zeitfensters wurden in 23 (Nogo-IC-positiv) von 40 Probanden identifiziert. Ein Vergleich mit den 17 Probanden (Nogo-IC-negativ) ohne diese Nogo-spezifische Komponente zeigte auf der Verhaltensebene einen signifikanten Reaktionszeitunterschied in der Go-Bedingung, jedoch keinen Unterschied in der Inhibitionsleistung (Auslassungs- und Aktionsfehler). Im konventionellen fMRT-Gruppenvergleich zeigte sich eine Tendenz zur Mehraktivierung im inferior frontalen Kortex (rechts > links) und links parietal. Konventionelle ERP-Analysen zeigten eine signifikante größere P3-Amplitude mit einer stärkeren zentral-parietalen Ausprägung in Nogo-IC-positiven Probanden.
Diskussion:
In dieser durch Nogo-spezifische, unabhängige Komponenten elektrophysiologisch definierten Analyse der motorischen Reaktionsinhibition konnten unterschiedliche Phänotypen identifiziert werden. Trotz gleicher Inhibitionsleistung unterscheiden sich die Nogo-IC-Phänotypen sowohl behavioral (Reaktionszeiten) als auch neurophysiologisch (fMRT und EEG). Die Identifizierung der elektrophysiologischen Phänotypen ist ein Hinweis auf bedeutsame interindividuelle Variationen neuronaler und behavioraler Korrelate der Impulskontrolle, die die Grundlage für weitere Untersuchungen zu interindividuell unterschiedlicher Vulnerabilität für Störungen der Impulskontrolle sind.