Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P75
DOI: 10.1055/s-0033-1337216

Ich fühle was, was Du nicht siehst? Alexithymie und die Erkennung von Mikroexpressionen – eine funktionelle Magnetresonanztomografiestudie

K Ihme 1, V Lichev 1, N Rosenberg 1, J Sacher 2, A Villringer 2, A Kersting 1, R Lane 3, T Suslow 1
  • 1Universität Leipzig, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Leipzig, Deutschland
  • 2Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig, Deutschland
  • 3University of Arizon – Tucson, Tucson, AZ, Deutschland

Das Persönlichkeitsmerkmal Alexithymie erfasst die Fähigkeit Gefühle zu erkennen und beschreiben. Neuere Studien deuten darauf hin, dass Hoch-Alexithyme Schwierigkeiten haben die Emotion eines kurz präsentierten Gesichtsausdrucks zu erkennen [1]. Jedoch ist das Erkennen dieser so genannten Mikroexpressionen (Gesichtsausdrücke < 500 ms, [2]) während sozialer Interaktion sehr nützlich um Schlüsse über die Emotionen eines Gegenüber zu ziehen. Es bleibt zu klären, ob Alexithymie mit einer veränderten Hirnaktivierung während der Erkennung von Mikroexpressionen einhergeht. Um dies zu untersuchen, wurde eine funktionelle Magnetresonanztomografie-(fMRT)-Studie mit 51 jungen gesunden Erwachsenen durchgeführt. Die Erfassung der Ausprägung von Alexithymie erfolgte mittels der Toronto-Alexithymie-Skala (TAS-20, [3]). Die Probanden hatten die Aufgabe kurz präsentierte emotionale (freudig, ängstlich, wütend) oder neutrale Mikroexpressionen zu erkennen. Jedes dieser Gesichter wurde jedoch von einem länger präsentierten, neutralen Gesicht maskiert. Wir konnten bestätigen, dass Probanden mit hoher Alexithymie Schwierigkeiten haben, die kurz präsentierten emotionalen Gesichter zu benennen (negative Korrelation der TAS-20-Werten mit der Performanz bei emotionalen Gesichtern: freudig: r =-0,30, p < 0,05; ängstlich: r =-0,25, p < 0,05; wütend: r =-0,32, p < 0,05; siehe Abb. 1 für wütende Gesichter). Weiterhin deutet eine Regressionsanalyse der fMRT-Daten daraufhin, dass alexithymere Probanden eine verringerte Hirnaktivität im Striatum (MNI-Koordinaten des Maximums: x = 24, y = 14, z =-5, siehe Abb. 2) und im mittleren temporalen Kortex (x = 42, y =-67, z = 13) für wütende aber nicht neutrale Gesichter haben (Kontrast Wut>Neutral mit TAS-20-Werten als Regressor). Zusammengefasst bestätigt diese Studie, dass Alexithyme Probleme bei der Erkennung von Mikroexpressionen haben und identifiziert Hirnareale, die diese Defizite begünstigen könnten.

Abb. 1: Streudiagramm zwischen der Performanz bei der Erkennung ängstlicher Gesichter und den individuellen TAS-20-Werten.

Abb. 2: Negative Korrelation der Aktivierung im Striatum mit den individuellen TAS-20-Werten im Vergleich Wut>Neutral. Signifikanz ist FWE-korrigiert (p

Literatur:

[1] M. Swart, R. Kortekaas, and A. Aleman, “Dealing with feelings: characterization of trait alexithymia on emotion regulation strategies and cognitive-emotional processing.,” PloS One, vol. 4, no. 6, p. e5751, Jan. 2009.

[2] D. Matsumoto and H. S. Hwang, “Evidence for training the ability to read microexpressions of emotion,” Motivation and Emotion, vol. 35, no. 2, pp. 181 – 191, Apr. 2011.

[3] R. M. Bagby, J. D. A. Parker, and G. J. Taylor, “The twenty-item Toronto Alexithymia scale-I. Item selection and cross-validation of the factor structure,” Journal of Psychosomatic Research, vol. 38, no. 1, pp. 23 – 32, Jan. 1994.