Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P74
DOI: 10.1055/s-0033-1337215

Diffusions-Tensor Bildgebung detektiert ausgeprägte Veränderungen der weißen Substanz bei idiopathischer generalisierter Epilepsie

N Focke 1, 2, C Diederich 1, G Helms 3, M Nitsche 1, H Lerche 2, W Paulus 1
  • 1Universität Göttingen, klin. Neurophysiologie, Göttingen, Deutschland
  • 2Universität Tübingen, Neurologie/Epileptologie, Tübingen, Deutschland
  • 3Universität Göttingen, MR-Forschung, Göttingen, Deutschland

Fragestellung:

Im Allgemeinen wird die idiopathische generalisierte Epilepsie (IGE) als eine genetisch bedingte Erkrankung ohne Auffälligkeiten in der strukturellen MRT-Bildgebung angesehen. Mittels Voxel-basierter Morphometrie (VBM) sind allerdings volumetrische Veränderungen bei IGE oder bei juveniler myoklonischer Epilepsie (JME) beschrieben worden. Allerdings sind die Ergebnisse sehr widersprüchlich, unterschiedliche Studien beschreiben Zunahmen der grauen Substanz mesio-frontal, andere Abnahmen in derselben Region oder gar keine Veränderungen. Daher ist es interessant, neben der Volumetrie andere Methoden einzusetzen, um die strukturelle Basis der IGE besser zu verstehen. Eine Möglichkeit, die anatomischen Netzwerke des Gehirns zu analysieren, ist die Diffusions-Tensor Bildgebung (DTI). Ziel unserer Arbeit war es, mittels DTI zu prüfen, welche kortikalen Regionen bei IGE und JME strukturelle Netzwerk-Veränderungen aufweisen und ob es Syndrom-spezifische Unterschiede zwischen JME und anderen IGE Patienten gibt.

Methoden:

25 Patienten (13 IGE, 12 JME) und 44 gesunde Kontrollen konnten für die Studie rekrutiert werden. Wir akquirierten jeweils einen DTI (30 Diffusions-Richtungen, 1,9 mm isotrope Auflösung) und einen 3D-T1 gewichteten Datensatz (MP-RAGE, 1 mm isotrope Auflösung). Die T1 Volumendatensätze wurden mit Freesurfer Atlas-basiert in 148 anatomische, kortikale Regionen parzelliert. Für jede anatomische Region und jeden Probanden wurde ein probabilistisches Fiber-Tracking mit FSL (bedpostx, 2500 samples/voxel) durchgeführt. Die resultierenden Wahrscheinlichkeitskarten wurden räumlich normalisiert und binarisiert. Sie repräsentieren die mit der jeweiligen kortikalen Region verbundenen Voxel. Anschließend wurde für jede Region die wesentlichen DTI-Parameter (fraktionelle Anisotropie = FA, mittlere Diffusivität = MD, radiale Diffusivität = RD und axiale Diffusivität = AD) bestimmt und statistisch verglichen. Hierbei wurde eine Bonferroni-Korrektur (für die 148 parallelen Tests) verwendet.

Ergebnisse:

Es zeigten sich eine signifikante Reduktion der FA in den anatomischen Netzwerken ausgehend vom Gyrus frontalis superior beidseits (links: p = 0,002, rechts: 0,044), dem posterior-ventralen Gyrus cinguli links (p = 0,023) und dem Gyrus lingualis rechts (p = 0,021) für die Patienten im Vergleich zu Kontrollen. Im Mittel über alle Regionen waren die FA Werte für Patienten signifikant niedriger als bei Kontrollen (p < 0,001, 0,340 +/- 0,015 versus 0,352 +/- 0,012). Für MD wurden keine signifikanten regionalen Unterschiede (bei Bonferroni-Korrektur) detektiert, im Mittel war die MD bei Patienten höher als bei Kontrollen (p = 0,016, 0,893 +/- 0,042 versus 0,872 +/- 0,027). Für RD zeigten sich erhöhte Werte in den Netzwerken des Gyrus cinguli beidseits (p = 0,039/p = 0,011), global waren die RD Werte für Patienten höher als bei Kontrollen (p = 0,009, 0,740 +/- 0,046 versus 0,715 +/- 0,030). Für AD und im Vergleich der IGE und JME Sub-Populationen waren keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen feststellbar, sowohl für die regionale Analyse wie auch im Mittel über alle Regionen.

Schlussfolgerung:

Wir konnten zeigen, dass bei IGE/JME Patienten deutliche Alterationen der DTI-Parameter vorliegen, die auf strukturelle Veränderungen der weißen Substanz hinweisen. Dabei fanden sich neben globalen Unterschieden auch lokalisierte Auffälligkeiten im anatomischen Netzwerk des Gyrus frontalis superior, Gyrus cinguli und lingualis. DTI erscheint eine vielversprechende Methode zu sein, um unser Verständnis der Netzwerk-Veränderungen bei IGE/JME zu verbessern.