Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P54
DOI: 10.1055/s-0033-1337195

Wirkung von lokal injiziertem Botulinumtoxin Typ A auf experimentell induzierte Schmerzen – Auswirkung auf kontinuierliche Schmerzen, psychophysiche Parameter sowie auf Flare-Signal

S Mbialeu 1, C Geber 1, T Vogt 1, F Birklein 1
  • 1Universitätsmedizin Mainz, Neurologie, Mainz, Deutschland

Einleitung:

Botulinumtoxin Typ A (BoNT/A) wurde primär bei neurologischen Erkrankungen, die mit einem erhöhten Muskeltonus einhergehen, zugelassen. Erstaunlich war jedoch, dass die Patienten noch vor Abnahme des Muskeltonus über eine Verminderung der Schmerzen berichteten. Dies führte zu weiteren Untersuchungen mit der Frage einer möglichen analgetischen Wirkung von BoNT/A. Ein analgetischer Effekt bei Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen ist demonstriert worden (Bouhassira et al., 2008). Experimentelle Untersuchungen erbrachten allerdings unterschiedliche Ergebnisse. Während Parisa Gazerani et al. eine Reduktion von Capsaicin- induzierten Schmerzen im Gesicht zeigten, konnten Schulte-Mattler et al. keinen Effekt finden.

Ziel unsere Studie ist, eine mögliche Erklärung über den Wirkmechanismus von lokal injiziertem Botulinumtoxin Typ A auf Schmerzen und die sich widersprechenden Ergebnisse der Voruntersuchungen zu finden.

Methode:

16 gesunde Probanden (8 Frauen und 8 Männer, Medianalter 26 Jahre) wurden in drei Etappen im Bereich beider Oberschenkel (OS) untersucht. Nach Aufklärung über den Studienablauf wurde im Rahmen der ersten Messung eine quantitative sensorische Testung (QST) im Bereich beider OS durchgeführt; gefolgt von einer Schmerzinduktion mit Capsaicin (15 µg in 15 µl 0,9%ige NaCl-Lösung) auf einer Seite und Stromstimulation auf der anderen Seite. Alle 5 Minuten erfolgte eine Bildaufnahme des Flare-Signals (Laser Doppler Imager, LDI) für die Dauer von 30 Minuten. In der Zeit wurde jede Minute die Schmerzstärke auf einer numerischen Analogskala geratet (0- keine Schmerzen, 100 stärkster vorstellbare Schmerz) angegeben. Anschließend wurde erneut eine QST-Messung durchgeführt. Ca. 4 Wochen später erfolgte die Injektion von BoNT/A (Xeomin®, 25 Mouse Unit, an 5 Stellen in einem Quadrat von 1,5 cm x 1,5 cm). 7 ± 1 Tage später fand an der Applikationsstelle (Anhidrose) eine 2. Messung statt. Der Ablauf glich den der ersten Messung (QSTà Schmerzinduktion Capsaicin auf der gleichen Seite wie bei der ersten Messung und auf der anderen Seite Stromstimulationà Flare-Bilder alle 5 Minuten für 30 Minutenà QST).

Ergebnisse:

Nach Applikation von BoNT/A zeigt sich eine deutliche Zunahme der Schwellenwerte im QST für kalt (p < 0,05), warm (p < 0,001) sowie den Hitzeschmerz (p < 0,01) auf dem anhidrotischen Areal. Wie fanden zudem eine signifikante Reduktion (p < 0,001) des durch Stromstimulation induzierten, objektiv messbaren Flare-Signals nach BoNT/A-Injektion, allerdings nicht nach den Capsaicin-Injektionen. Dazu passend war die Schmerzstärke nach Elektrostimulation vor und nach BoNT/A signifikant reduziert (p < 0,01).

Diskussion:

Wir fanden eine Wirkung von intradermal injiziertem Botulinumtoxin Typ A auf die Erregbarkeit von Ad und vor allem C-Fasern in der Haut. Allerdings scheint die Stimulationsart kritisch zu sein: Bei Capsaicin-Injektion war kein Effekt nachzuweisen, bei Stromstimulation dagegen ein hoch signifikanter Effekt. Um diesen Unterschied besser zu verstehen, sind weitere Untersuchungen notwendig. Momentan gehen wir davon aus, dass die Rekrutierung von verschiedenen Faserklassen oder das Pattern der Rekrutierung für den Unterschied verantwortlich ist.

Literatur:

Daniele Ranoux, D. Bouhassira et al. (2008). Ann Neurol 64: 274 – 284;

Schulte-Mattler et al. (2007). Journal of the Neurological Sciences 260: 38 – 42;

Parisa Gazerani, L. Arendt-Nielsen et al. (2006). Pain 122: 315 – 325

Unterstützt durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation, die BGW, Lilly Deutschland und die DFG