Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P49
DOI: 10.1055/s-0033-1337190

CRPS I spezifische bilaterale Veränderungen somatosensorischer kortikaler Exzitabilität bleiben nach sechsmonatiger Behandlung bestehen

M Lenz 1, C Maier 2, O Höffken 1, S Lissek 1, P Stude 1, A Reinersmann 2, J Frettlöh 1, 2, E Krumova 1, 2, M Tegenthoff 1
  • 1Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Neurologische Klinik, Bochum, Deutschland
  • 2Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Abteilung für Schmerztherapie, Bochum, Deutschland

Einleitung:

Die Pathophysiologie des Komplexen Regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) ist weitgehend ungeklärt. Zentralnervöse Veränderungen spielen eine Rolle. Mittels Doppelpuls-evozierter Potentiale wurde eine bilaterale Disinhibition im sensomotorischen Zentralnervensystem beschrieben (Schwenkreis et al., 2003; Lenz et al., 2011). In der vorliegenden Studie sollte geklärt werden, ob diese für CRPS Patienten im Akutstadium (< 1 Jahr) beschriebene Disinhibition im somatosensorischen Kortex auch nach sechsmonatiger Behandlung persistiert und ob eventuelle Veränderungen mit dem Therapie-Erfolg korrelieren.

Material/Methode:

Die Daten von 19 CRPS Typ I Patienten (50,5 ± 2,6 Jahre) mit einer klinischen Symptomatik an einer oberen Extremität wurden mit gesunden Probanden (dominante Hand; N = 19; 50,7 ± 2,6 Jahre) verglichen. Die Erkrankungsdauer der CRPS Patienten lag < 1 Jahr. Nach sechsmonatiger multimodaler Behandlung (s. Pleger et al., 2005) wurden die CRPS Patienten erneut untersucht (T2) und die Daten mit der ersten Messung (T1) verglichen.

Die Exzitabilität im somatosensorischen Kortex wurde mithilfe Doppelpuls-evozierter somatosensorischer Potentiale (D-SEP) untersucht. Mittels einer Blockelektrode wurde der N. Medianus an beiden Handgelenken stimuliert. Das Doppelpuls-Paradigma bestand aus zwei elektrischen Reizen im Abstand von 30 ms (Pulsdauer = 0,2 ms, Wiederholungsrate = 3 Hz). Die D-SEP-Aufzeichnung erfolgte über dem kontralateralen somatosensorischen Kortex bei CP3 bzw. CP4 (Referenz = Fz). Die Daten von 800 stimulusbezogenen SEP-Segmenten wurden offline verarbeitet und gemittelt. Um eine lineare Überlagerung der ersten und zweiten D-SEP zu vermeiden, wurden Einzelpuls-SEP mit den oben beschriebenen Parametern aufgezeichnet und von den Doppelpuls-SEP subtrahiert. Der Amplitudenquotient der zweiten N20-P25 Antwort nach Subtraktion der Einzelpuls-SEP und ersten Antwort vor Subtraktion beschreibt für Quotienten < 1 eine kortikale Inhibition.

Ergebnisse:

Bei den CRPS-Patienten fand sich zum Zeitpunkt T1 bilateral ein erhöhter Amplitudenquotient verglichen mit den gesunden Probanden (T-Test: betroffene Hand, p = 0,014; gesunde Hand, p = 0,004). Der Amplitudenquotient der CRPS Patienten zeigte zum Zeitpunkt T2 keine Veränderungen (T-Test T1 vs. T2: betroffene Hand, p = 0,958; gesunde Hand, p = 0,519). Die Amplitudenquotienten zeigten zu keinem Messzeitpunkt eine Korrelation mit der Schmerzintensität und der globalen Handfunktion.

Diskussion:

Der beidseits erhöhte Amplitudenquotient bei CRPS Patienten belegt eine bilateral verringerte Inhibition im somatosensorischen Kortex, welche auch nach 6-monatiger Behandlung unverändert bleibt. Es konnte kein Zusammenhang mit dem Therapieerfolg (Schmerzreduktion, globale Handfunktion) gefunden werden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich bei der bilateralen somatosensorischen Disinhibition eher um eine Disposition zur Krankheitsentwicklung als um eine symptomatische Veränderung im Rahmen des Krankheitsprozesses handelt.

Die Studie wurde im Rahmen der Forschungsförderung der DGUV (FR 115) finanziell unterstützt.