Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P41
DOI: 10.1055/s-0033-1337182

Neuritis vestibularis mit Beteiligung des inferioren Nervanteils: Risikofaktor für ein schlechteres Outcome?

C Best 1, L Kreitner 2, P Rausch 3, P zu Eulenburg 2, B Baier 2, F Thömke 2, M Dieterich 4
  • 1Philipps-Universität, Klinik für Neurologie, Marburg, Deutschland
  • 2Johannes Gutenberg-Universität, Klinik für Neurologie, Mainz, Deutschland
  • 3Philipps-Universität, Klinik für HNO, Marburg, Deutschland
  • 4Ludwig-Maximilians-Universität, Klinik für Neurologie, München, Deutschland

Einleitung: Die Neuritis vestibularis (NV) stellt die zweithäufigste Ursache peripher-vestibulären Schwindels dar. Ätiologisch wird eine Inflammation durch HSV Typ I angenommen (1). Dabei kommt es nicht regelhaft zu einem Ausfall des gesamten Nervs; meist besteht eine isolierte Funktionsstörung des superioren Nervanteils. Inzwischen konnte jedoch in kleinen Fallserien eine zusätzliche Beteiligung des inferioren Nervenanteils gezeigt werden (2 – 4). Ziel der aktuellen Studie war, (a) die Beteiligung des inferioren Anteils bei NV in einem größeren Kollektiv zu quantifizieren und (b) die Patienten nach NV in einer prospektiven Verlaufsbeobachtung hinsichtlich ihres Outcomes bezüglich sekundärer schwindelassoziierter Symptome zu untersuchen.

Methoden: Es wurden 142 NV Patienten eingeschlossen, die eine vestibuläre Testbatterie erhielten bestehend aus cervikalen vestibulär-evozierten-myogenen Potentialen (cVEMP), subjektiver visueller Vertikale (SVV), okulärer Torsion (OT), kalorischer Testung, Drehprüfung sowie einer ausführlichen klinischen neuro-otologischen Untersuchung. Zur Verlaufserhebung wurden die Symptom-Checkliste 90 (SCL-90), die Vertigo-Symptom-Scale (VSS) und der Vertigo Handicap Questionnarie (VHQ) erfasst. Es wurden Mittelwertvergleiche der Testparameter zwischen Patienten mit und ohne inferiorer Nerv-Beteiligung durchgeführt.

Ergebnisse: Bei den 142 Patienten (67 weiblich; mittleres Alter 58 ± 14 Jahre) fand sich eine Beteiligung des inferioren Nervanteils in 48 Fällen (34%). In der Akutphase der NV wiesen diese Patienten eine signifikant stärkere Verkippung der SVV (7,2 °± 3,6 ° vs. 4,2 °± 3,7 °; p = 0,021) und eine signifikant größere OT (16,7 °± 4,4 ° vs. 11,2 °± 3,8 °; p = 0,041) auf. Nach NV (mittlere Latenz: 4,5 ± 2,7 Jahre) bestand bei den Patienten mit Beteiligung des inferioren Nervanteils eine signifikant erhöhte Ängstlichkeit (SCL-90-Score für Ängstlichkeit: 48,4 ± 3,8 vs. 41,6 ± 0,5; p = 0,026).

Diskussion: In diesem großen Kollektiv von 142 NV Patienten fand sich bei einem Drittel eine kombinierte Affektion des superioren und inferioren Anteils des Vestibularnerven. Eine isolierte Störung des inferioren Anteils fand sich in keinem Fall. Wenn eine zusätzliche Affektion des inferioren Anteils vorlag, waren die Perzeption von Vertikalität sowie die OT signifikant stärker betroffen als bei reiner Schädigung des superioren Anteils. Dies beruht möglicherweise auf der Schädigung von Afferenzen des posterioren Bogengangs sowie des Utrikulus, da Störungen in der Rollebene vorwiegend dem Utrikulus und nicht dem Sakkulus zugeschrieben werden (5,6). Im Verlauf der Erkrankung besteht bei diesen Patienten anhaltend eine stärkere schwindelassoziierte Belastung mit einer signifikant erhöhten Ängstlichkeit. Damit führt die zusätzliche Beteiligung des inferioren Nervanteils bei NV in der Akutphase zu einer stärkeren Raumorientierungsstörung und im Verlauf zu einer höheren psychischen Belastung.

Literatur:

(1) Arbusow, et al.. Ann Neurol 1999

(2) Aw, et al.. Neurology 2001

(3) Halmagyi. Ann N Y Acad Sci 2002

(4) Monstad, et al.. BMC Neurol 2006

(5) De Graaf, et al.. Brain Res Bull 1996

(6) Kori et al.. J Neurophysiol 2001

Förderung:

BMBF Grant 01 GW 0642 und Deutsches Schwindelzentrum-IFBLMU