Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P26
DOI: 10.1055/s-0033-1337167

Beeinflussung des motorischen Lernens mittels Atomoxetin und 10 Hz rTMS bei Gesunden

M Sczesny-Kaiser 1, A Bauknecht 1, O Höffken 1, M Tegenthoff 1, P Schwenkreis 1
  • 1BG-Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum, Neurologische Klinik und Poliklinik, Bochum, Deutschland

Einleitung:

Die repetitive transkranielle Magnetstimulation ist eine etablierte Methode zur nicht-invasiven Hirnstimulation, mit der umschriebene Kortexareale und neuronale Netzwerke in ihrer Erregbarkeit und Funktion moduliert werden können. Das noradrenerge Transmittersystem ist über das gesamte Gehirn verteilt und beeinflusst u.a. Wachheit und Impulsselektivität. Studien konnten zeigen, dass die Gabe von noradrenergen Substanzen wie Methylphenidat zu einer Erregbarkeitssteigerung im primär motorischen Kortex (M1) führen und damit möglicherweise motorisches Lernen begünstigen kann. In unserer Studie untersuchten wir den Einfluss des selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers Atomoxetin [= ATX] und einer 10 Hz rTMS auf die Erregbarkeit im M1 und auf das Erlernen einer Fingertappingübung bei Gesunden.

Material und Methode:

Es wurden 36 rechtshändige Probanden in einem 4-armigen, doppelt-verblindeten, placebo-kontrollierten, randomisierten Design untersucht (ATX + real-rTMS, PLC + real-rTMS, ATX + sham-rTMS, PLC + sham-rTMS). Folgende neurophysiologische Parameter wurden über dem M1 zu Beginn (t1), 1 Stunde nach der Einnahme von 60 mg ATX bzw. des Placebos (t2) und unmittelbar nach dem motorischen Lernen und rTMS (t3) erhoben: Motorische Ruheschwelle, Stimulus-Response-Kurve (SRC) und intrakortikale Hemmung (SICI) und Bahnung (ICF). rTMS und motorische Übung wurden in folgender Abfolge kombiniert: die Probanden erhielten für 2 Sekunden 20 TMS-Pulse (= 10 Hz) mit 80% der Ruhemotorschwelle über dem Hot-Spot des FDI auf der nichtdominanten Hemisphäre. Dann erfolgte eine motorische Übung über 40 Sekunden, bei der die Probanden mit der nichtdominanten Hand den 7-stelligen Zahlencode „1, 2, 3, 4, 1, 2, 3“ so genau, so schnell und so häufig wie möglich auf einer Antworttastenbox tippen mussten. Eine Ruheperiode von 28 Sekunden folgte. Dieser Block wurde 8-mal durchgeführt. Die Zahlenfolge blieb dieselbe und auf dem Bildschirm eingeblendet. 1 und 2 Stunden nach ATX-Gabe wurden Blutproben für die Serumspiegelbestimmung entnommen.

Ergebnisse:

Wir konnten eine signifikante kortikospinale und intrakortikale Erregbarkeitssteigerung 1 Stunde nach ATX-Gabe feststellen. In der ATX + real-rTMS-Gruppe fand zudem eine weitere Erregbarkeitssteigerung nach Durchführung der motorischen Übung/rTMS statt, welche sich in den anderen 3 Gruppen nicht zeigte. Analog dazu konnten wir eine signifikante Überlegenheit ausschließliche für die ATX + real-rTMS-Gruppe in allen Motorikparametern nachweisen. So bestand ein höherer Target Score (= TS = absolute Anzahl der korrekten Tastenantworten) und eine kürzere Execution-Time (= ET = Zeit zwischen zwei korrekten Tastenantworten). Bei der weiteren Analyse der einzelnen Interventionseffekte ergaben sich Hinweise auf einen nichtlinearen Interaktionseffekt zwischen ATX und 10 Hz rTMS.

Diskussion:

Diese Studie bestätigt den erregbarkeitssteigernden Effekt von ATX im M1. Darüber hinaus konnten wir eine Verbesserung der motorischen Leistung nachweisen, jedoch nur für die Kombination von ATX und rTMS. Bekannt ist, dass eine 10 Hz rTMS zu einer höheren synaptischen Effektivität der motorischen und koordinativ-motorischen Netzwerke führt, wobei ATX u.a. einen wachheitsfördernden Effekt hat. Eine Interaktion dieser beiden Effekte könnte verantwortlich für den beobachteten psychophysischen Interaktionseffekt zu sein. Eine Anwendung dieser beiden Interventionen bei Patienten z.B. mit Lähmungen nach Schlaganfall erscheint vielversprechend.