Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P17
DOI: 10.1055/s-0033-1337158

Magnetenzephalographische Hinweise auf eine Rekrutierung alternativer motorischer Regelkreise zur Aufrechterhaltung der Schluckfunktion beim M Parkinson

S Suntrup 1, 2, I Teismann 1, J Bejer 1, I Suttrup 1, M Winkels 2, C Pantev 2, R Dziewas 1, T Warnecke 1
  • 1Universitätsklinikum Münster, Klinik für Neurologie, Münster, Deutschland
  • 2Universitätsklinikum Münster, Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse, Münster, Deutschland

Einleitung: Die Dysphagie stellt ein häufiges Symptom des M. Parkinson dar, dessen Pathophysiologie noch wenig untersucht ist. Insbesondere ist unklar, warum eine schwere Dysphagie erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auftritt, obwohl die relevanten Schluckzentren des Hirnstamms bereits sehr früh im Krankheitsverlauf von der Neurodegeneration betroffen sind (Braak et al., Cell Tissue Res 2004). Ziel unserer Studie war daher der Nachweis möglicher kortikaler Reorganisationsphänomene, die anfangs das subkortikal gestörte Schlucknetzwerk beim M. Parkinson kompensieren können.

Methoden: Die kortikale Hirnaktivierung bei Parkinsonpatienten mit und ohne Schluckstörung im Vergleich zu einer altersgleichen, gesunden Kontrollgruppe (jeweils N = 10) wurde mittels 275 Kanal-Magnetenzephalografie (MEG) während eines etablierten Schluckparadigmas gemessen. Für die Gruppenzuordnung wurde die Schluckfunktion zuvor apparativ mit der fiberoptischen endoskopischen Evaluation des Schluckaktes (FEES) detailliert untersucht. Die MEG-Daten wurden mittels Synthetic Aperture Magnetometry ausgewertet und nichtparametrische Permutationsstatistik zur Bestimmung signifikanter Gruppenunterschiede angewendet.

Ergebnisse: In allen drei Probandengruppen fand sich ereigniskorrelierte Hirnaktivierung im beta-Frequenzband (13 – 30 Hz) und weniger stark in angrenzenden alpha- (8 – 13 Hz) und low gamma- (30 – 60 Hz) Frequenzbändern. Verglichen mit den Gesunden war die Aktivierung bei den Patienten, insbesondere denen mit einer Dysphagie, deutlich schwächer ausgeprägt. Bei gesunden Älteren lag die Aktivierung in primär und sekundär sensomotorischen Hirnarealen mit bilateralen Maxima in der rostro-medialen Präzentralregion. Patienten ohne Schluckstörung zeigten hingegen eine Hypoaktivierung des supplementärmotorischen Areals (SMA) und eine Verlagerung des Aktivitätsmaximums in den lateralen parietalen, motorischen und prämotorischen Kortex (p

Diskussion: Für die Motorik stehen zwei parallele Regelkreise zur Verfügung (Roland, Hum Neurobiol 1984): Das striato-mesial-frontale, zur SMA projizierende Netzwerk für intern generierte Bewegungen ist beim M. Parkinson deutlich betroffen und für die gestörte Bewegungsinitiierung mitverantwortlich. Der parietal-lateral-prämotorische Regelkreis für extern generierte Bewegungen bleibt relativ erhalten und ermöglicht die Bewegungsinitiierung auf einen Reiz hin. In der jüngeren Literatur zur Handmotorik beim M. Parkinson finden sich Hinweise auf eine bevorzugte Rekrutierung des intakten parietal-lateral-prämotorischen Netzwerks (Samuel et al., Brain 1997). Die alternative Rekrutierung dieser parallelen Bahnen, wahrscheinlich unter verstärkter Ausnutzung oropharyngealer afferenter Reize, scheint auch die bihemisphärisch repräsentierte Schluckfunktion aufrecht zu erhalten, bis die Neurodegeneration nach kortikal fortschreitet und in ihrem Ausmaß nicht mehr kompensiert werden kann.

Abb. 1: Areale signifikanter Hirnaktivierung während des Schluckens pro Versuchsgruppe.