Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P13
DOI: 10.1055/s-0033-1337154

N. vagus-evozierter Blinkreflex: Etablierung der Technik und Befunde bei Patienten mit M. Parkinson

C Pargac 1, D Weise 1, JJ Rumpf 1, J Claßen 1
  • 1Uniklinikum Leipzig, Neurologie, 04103, Deutschland

Fragestellung:

Bei idiopathischem Parkinsonsyndrom (PD) kommt es zu einer Degeneration von Neuronen im Bereich des Hirnstammes, neben der Substantia nigra insbesondere auch im dorsalen motorischen Kern des N. vagus (VN). Mithilfe des klassischen Blinkreflexes (BR) lassen sich Verschaltungen im Bereich des Hirnstammes untersuchen. Eine Funktion des Kernkomplexes des VN kann möglicherweise neurophysiologisch durch einen BR bestimmt werden, dessen afferenter Schenkel über den somatosensiblen Anteil des N. vagus verläuft (VN-BR). Ziel der Studie war es (a) die Ableitung eines VN-BR erstmals zu etablieren und (b) mögliche Veränderungen des VN-BR als Zeichen einer Dysfunktion des Kernkomplexes des VN bei PD-Patienten aufzudecken.

Methoden:

VN-BR wurde 24 gesunden Kontrollen (CTRL, Alter 57,3 ± 13,9 Jahre, 15 Frauen) und bei 7 Patienten mit PD (Alter 64,0 ± 6,5 Jahre, 4 Frauen, Hoehn & Yahr Stadium 2,2 ± 0,3, UPDRS III 22,9 ± 7,2, Krankheitsdauer 6,4 ± 3,8J.) untersucht. Variationen des BR wurde jeweils nach beidseitiger transkutaner elektrischer Stimulation des R. auricularis n. vagi (VN-BR, jeweils 5 Reize, Interstimulus-Intervall (ISI) 20 ± 10 s), des N. supraorbitalis des N. trigeminus (TN-BR) sowie des N. medianus am Handgelenk (MN-BR) und jeweils Ableitung mittels Oberflächenelektroden über dem M. orbicularis oculi bestimmt. Die Latenzen der Potentialkomponenten (R1 (nur TN-BR), R2ipsi und R2kontra) und die Peak-to-peak Amplituden wurden bestimmt. Als Screening für Einschränkungen der Kognition wurde der Montreal Cognitive Assessment (MoCa) Test verwendet.

Ergebnisse:

Der VN-BR konnte bei 21 von 24 Kontrollen und bei 5 von 7 Patienten, der MN-BR bei 20 von 24 Kontrollen und 5 von 7 Patienten und der TN-BR bei allen Versuchspersonen verlässlich abgeleitet werden. Es unterschieden sich weder die Latenzen der einzelnen EP-Komponenten (R2ipsi, PD vs. CTRL [in msec]: VN-BR 45 ± 3 vs. 43 ± 6, p = 0,550; TN-BR 37 ± 1 vs. 34 ± 3, p = 0,459; MN-BR 55 ± 1 vs. 56 ± 8, p = 0,830) noch die Peak-to-peak Amplituden (PD vs. CTRL [in mV] VN-BR 105 ± 51 vs. 119 ± 66, p = 0,644; TN-BR 164 ± 60 vs. 210 ± 94, p = 0,451; MN-BR 93 ± 39 vs. 84 ± 36, p = 0,636) zwischen den beiden Gruppen. Hinsichtlich Kognition unterschieden sich die beiden Gruppen nicht (MoCA: PD 27,4 ± 1,7, CTRL 27,7 ± 1,6, p = 0,751)

Schlussfolgerungen:

Gemäß dieser vorläufigen Daten lässt sich ein VN-BR bei Kontrollen und PD-Patienten ableiten, allerdings nicht immer verlässlich. Anhand des VN-BR lässt sich keine Störung der Prozessierung somatosensibler Information im Vagus-Kern-Komplex bei PD-Patienten nachweisen. Dies könnte bedeuten, dass somatosensible Kerngebiete von der Degeneration im Vagus-Kern-Komplex ausgespart bleiben.