Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P9
DOI: 10.1055/s-0033-1337150

Können akustisch ausgelöste vestibulär evozierte Potentiale das Innenohr schädigen?

K Bötzel 1, AJ Mayerhofer 1, S Krafczyk 1, R Gürkov 2, E Krause 2
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität München, Neurologische Klinik, München, Deutschland
  • 2Ludwig-Maximilians-Universität München, Hals-Nasen-Ohrenklinik, München, Deutschland

Akustisch ausgelöste vestibulär evozierte Potentiale (VEMP) untersuchen die Funktion des Sacculus mittels lauter Ton- oder Klickreize. Um verwertbare VEMP zu erhalten, verwendet man akustische Reize, die bis zu 200 Mal nacheinander präsentiert werden, Reizintensitäten zwischen 120 – 145 dB SPL und eine Reizdauer von weniger als 10 ms aufweisen. Mit diesen Eigenschaften fallen die Ton- und Clickreize der VEMP-Messung in die Kategorie des Impulslärms. Impulslärm hat im Vergleich zu Dauerlärm gleicher Intensität bei hohen Lärmpegeln eine größere hörschädigende Wirkung. Die Fragestellung der vorliegenden Studie war, ob hierdurch eine Innenohrschädigung ausgelöst werden kann.

In der vorliegenden Studie wurden 30 junge, hörgesunde Erwachsene unmittelbar vor und nach einer VEMP-Untersuchung mittels Tonaudiometrie und Messung der otoakustischen Emissionen (DPOAE) untersucht. Die DPOAE-Messung wurde 24h nach Exposition erneut durchgeführt.

Die Tonaudiometrie als fortwährender diagnostischer Goldstandard konnte einen klinisch relevanten Hörschaden ausschließen. Auf subklinischer Ebene zeigten sich dagegen statistisch relevante Verluste der otoakustischen Emissionspegel in den hohen Frequenzen (≥4000 Hz) und für f = 1000 und 1500 Hz. Diese funktionelle Störung der äußeren Haarzellen hat aber keine klinische Relevanz und beeinträchtigt die äußeren Haarzellen nicht dauerhaft in der Funktion als cochleären Verstärker. Eine individuell unterschiedliche Vulnerabilität auf Lärm konnte zwar nachgewiesen werden und bewirkte bei dieser Lärmbelastung bei lärmempfindlicheren Probanden deutliche, subklinische cochleäre Störungen. Die Auswirkungen auf die Hörleistung nach mehr als 24h konnte aufgrund der begrenzten Beobachtungsdauer von 24h aber nicht beantwortet werden.

Angesichts der gesicherten subklinischen, cochleären Veränderungen in einigen Frequenzen und des ungewissen Ausbildens eines größeren Hörschadens mehr als 24h nach der VEMP-Diagnostik empfehlen wir derzeit die Einführung einer generellen Aufklärung des Patienten über mögliche Gefahren einer Innenohrschädigung durch vestibulär evozierte myogene Potenziale. Eine länger angelegte Studie mit Einbringung von höheren Teilnehmerzahlen wäre zudem von Nutzen, um möglicherweise erst später messbare Hörschäden zu detektieren.