Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - V8
DOI: 10.1055/s-0033-1337132

Der Einfluss oszillatorischer prä-Stimulus Aktivität auf die zeitliche Wahrnehmung taktiler Stimulation

T Baumgarten 1, A Schnitzler 1, J Lange 1
  • 1Institut für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland

Trotz der Verwendung physikalisch identischer Stimuli wird die ausgelöste sensorische Stimulation oftmals als unterschiedlich wahrgenommen. Dies legt nahe, dass Wahrnehmung mehr ist als eine bloße Verarbeitung sensorischen Inputs. Verschiedene Studien haben zudem den Einfluss von Fluktuationen oszillatorischer neuronaler Aktivität im prä-Stimulus Bereich auf die Wahrnehmung von Stimuli mit Intensitäten nahe der Wahrnehmungsschwelle gezeigt (Linkenkaer-Hansen et al. 2004; Hanselmayr et al. 2007). Wenig verstanden sind allerdings die Auswirkungen solcher prä-Stimulus Aktivität auf die zeitliche Wahrnehmung von Stimuli, die mit Intensitäten oberhalb der Wahrnehmungsschwelle präsentiert werden (Lange et al. 2012). In der vorliegenden Studie wurde der Einfluss oszillatorischer Aktivität im prä-Stimulus Bereich auf die zeitliche Wahrnehmung innerhalb der somatosensorischen Modalität untersucht.

Mittels 306-Kanal MEG wurde die neuromagnetische Hirnaktivität bei 16 Probanden aufgezeichnet, während diesen am linken Zeigefinger zwei elektrische Reize oberhalb der Wahrnehmungsschwelle appliziert wurden. Dabei wurde das Interstimulus Intervall (ISI) zwischen den Stimuli verändert. Die Probanden gaben an, ob sie die Stimulationen als einen oder zwei Reize wahrgenommen haben sowie die subjektive Sicherheit ihrer Entscheidung. In einer Vormessung wurden individuelle ISI bestimmt, für welche die Probanden in circa 50% der Versuchsdurchgänge angaben, einen einheitlichen Reiz zu empfinden (Mittlere Dauer ISI: 25,9 ± 1,9 ms). Zusätzlich wurden kurze (0 ms) und lange (100 ms) ISI verwendet.

Für kurze (0 ms) und lange (100 ms) ISI machten die Probanden vernachlässigbar wenige Fehler in der Bewertung der Stimuli. Die zwei Reize mit individuell bestimmten, mittleren ISI wurden jedoch in 43,0 ± 3,2% der Fälle als ein Reiz fehl interpretiert. Die Versuchsdurchgänge wurden nach subjektiver Wahrnehmung getrennt (Wahrnehmung von zwei Stimuli vs. ein Stimulus) und bezüglich des oszillatorischen Leistungsspektrums verglichen. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede im Alpha- (8 – 12 Hz) und Beta-Band (18 – 25 Hz). Diese Unterschiede lagen zeitlich vor dem Einsetzen der Stimulation und wurden in parietalen Arealen lokalisiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass subjektive sensorische Wahrnehmung maßgeblich vom neuronalen Zustand vor der Stimuluspräsentation abhängen kann. Insbesondere die oszillatorische neuronale Aktivität im Alpha- und Betaband im Parietalkortex spielt dabei eine entscheidende Rolle für die zeitliche Wahrnehmung taktiler Stimuli oberhalb der Wahrnehmungsschwelle sowie für die subjektive Bewertung dieser Wahrnehmung.

Literatur:

Linkenkaer-Hansen et al. (2004) Prestimulus oscillations enhance psychophysical performance in humans. J Neurosci. 24:10186 – 10190.

Hanslmayr et al. (2007) Prestimulus oscillations predict visual perception performance between and within subjects. Neuroimage. 37:1465 – 1473.

Lange et al. (2012) Fluctuations of prestimulus oscillatory power predict subjective perception of tactile simultaneity. Cereb Cortex. 22(11):2564 – 2574.