Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - V2
DOI: 10.1055/s-0033-1337126

Zusammenhang von Netwerkarchitektur und klinischen Charakteristika bei Temporallappenepilepsien

H Laufs 1, 2, 3, E Tagliazucchi 1, R Rodionov 2, R Thornton 2, JS Duncan 2, L Lemieux 2
  • 1Goethe-Universität Frankfurt, Klinik für Neurologie und Brain Imagaing Center, Frankfurt am Main, Deutschland
  • 2University College London, Institute of Neurology and Epilepsy Society Chalfont St. Peter, London, Vereinigtes Königreich
  • 3Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Klinik für Neurologie, Kiel, Deutschland

Hintergrund: Temporallappenepilepsien (TLE) sind charakterisiert durch dyskognitive Anfälle und interiktale Beeinträchtigung der Hirnfunktion, insbesondere der Gedächtnisleistung. Obwohl bei struktureller Ätiologie die Resektion temporaler Strukturen oft zu Anfallsfreiheit führt, handelt es sich um eine „Netzwerkerkrankung“, d.h. das Zusammenspiel zwischen dem Ort der strukturellen Pathologie und entfernteren Hirnarealen ist beeinträchtigt: beispielsweise fanden wir mittels funktionellem BOLD (blood oxygen level-dependent)-MRT eine Änderung der Aktivität des sog. Default mode Netzwerks (typischerweise betroffen bei Zuständen reduzierten Bewußtseins wie Schlaf, Anästhesie, Koma, Absencen) im Zusammenhang mit dem Auftreten interiktaler epilepsietypischer Potentiale (ETP) im EEG (Laufs, Hamandi et al. 2007; Laufs 2012).

Methodik und Ergebnis: In der vorliegenden Studie untersuchten wir die funktionelle Netzwerkarchitektur bei TLE im Vergleich zu gesunden Kontrollen mittels graphtheoretischer Analysen. Wir fanden die Netzwerkmodularität (Maß für die Absonderung von Knoten eines Netzwerkes) bei TLE erhöht gegenüber der Kontrollgruppe und – mit zunehmender ETP-Häufigkeit – weniger Verbindungen temporaler Regionen zu anderen Hirnarealen („node degree“) bei TLE im Vergleich zu Kontrollen. Die Varianz des BOLD-Signals zeigte sich in temporalen Regionen bei TLE signifikant erhöht gegenüber Kontrollen.

Interpretation: Die erhöhte funktionelle Abkopplung temporaler Strukturen steht im Einklang mit der für TLE typischen Beeinträchtigung kognitiver Funktionen (insbes. Gedächtnis) und korreliert mit dem Ausmaß epilepsietypischer EEG-Veränderungen. Die beobachtete erhöhte temporale BOLD-Varianz spiegelt wahrscheinlich eine im Vergleich zu nicht-betroffenen Hirnregionen ungeordnete neuronale Aktivität wider, die eine koordinierte Interaktion mit anderen Hirnregionen erschwert und die Dysfunktion in TLE begründen kann.

Literatur:

Laufs, H. (2012). "Functional imaging of seizures and epilepsy: evolution from zones to networks." Curr Opin Neurol25(2): 194 – 200.

Laufs, H., K. Hamandi, et al. (2007). "Temporal lobe interictal epileptic discharges affect cerebral activity in "default mode" brain regions." Human Brain Mapping28(10): 1023 – 1032.