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DOI: 10.1055/s-0033-1337125
Reorganisation im Sprachsystem bei Patienten mit Temporallappenepilepsie
Einleitung:
Dem linken Temporallappen wird eine wichtige Rolle beim auditiven Sprachverständnis zugeschrieben, insbesondere bei der lexikalisch-semantischen Analyse auditiven Inputs. In dieser Studie wurde mittels eines longitudinalen fMRT-Sprachverständnis-Experiments untersucht, welchen Effekt eine 2/3 Resektion des linken Temporallappens bzw. eine selektive Amygdalo-Hippokampektomie auf die Sprachrepräsentation bei Patienten mit therapierefraktärer Temporallappenepilepsie hat. Ziel dieser Studie ist es, die Dynamik der Reorganisationsprozesse nach epilepsiechirurgischem Eingriff zu beschreiben.
Methode:
10 Patienten mit links- und 9 Patienten mit rechtsseitiger Temporallappenepilepsie (TE) wurden ca. 2 Tage vor und 6 Tage nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff sprachlich getestet und mit funktioneller MRT untersucht. 17 Patienten erhielten eine 2/3 Resektion des Temporallappens (n = 9 links), 2 Patienten eine selektive Amygdalo-Hippokampektomie (n = 1 links). Im fMRT-Sprachverständnis-Experiment wurde den Patienten jeweils 30 Sätze normaler Sprache (z.B. „Der Pilot fliegt das Flugzeug“, SP) und Rückwärtssprache (REV) auditiv präsentiert. Die fMRT-Daten wurden mit SPM8 in einer ANOVA mit den Faktoren Gruppe (linksseitige TE, rechtsseitige TE), Zeit (Prä-/Post-OP) und Bedingung (SP, REV) analysiert. Sprachspezifische Areale wurden durch den Zielkontrast SP versus REV identifiziert.
Ergebnisse:
Fünf Patienten mit linksseitiger TE wiesen nach dem Eingriff leichte sprachliche Defizite auf. Erste Analysen der fMRT-Daten zeigen, dass in beiden Patientengruppen präoperativ, sowie in der rechtsseitigen TE-Gruppe auch postoperativ, eine linkslateralisierte Sprachrepräsentation vorlag. In der linksseitigen TE-Gruppe zeigte sich eine Aussparung des linken anterioren Temporallappens. Diese Gruppe zeigte zudem eine signifikante Zunahme der sprachspezifischen Aktivierung im rechten anterioren Temporallappen (T = 4,5), sowie resektionsnah im linken superioren Temporallappen (T = 4,34) und im linken Frontallappen (T = 3,8).
Diskussion:
Ähnlich wie bei der Reorganisation im Sprachsystem nach Schlaganfall (Saur et al., 2006) zeigt sich bei Patienten mit linksseitiger Temporallappenepilepsie bereits in der frühen postoperativen Phase eine Rekrutierung zur Resektion homologer Areale im rechten anterioren temporalen Kortex. Diese frühe Reorganisation trägt möglicherweise zur Aufrechterhaltung von Sprachfunktionen nach Resektion spracheloquenter Areale bei.
Referenzen:
Saur D, Lange R, Baumgaertner A, Schraknepper V, Willmes K, Rijntjes M, et al. Dynamics of language reorganization after stroke. Brain 2006; 129: 1371 – 84.