Der Klinikarzt 2013; 42(1): 3
DOI: 10.1055/s-0033-1336818
Editorial
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Kann man Sterben pauschalieren?

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
08 February 2013 (online)

So ähnlich fragte jüngst eine Zeitung bei Kolleginnen und Kollegen an und machte daraus einen Beitrag für ihren Wirtschaftsteil. Die zum Ausdruck gekommene Sorge um eine rein wirtschaftlich orientierte Pauschalierung von Palliativpatienten in unseren Krankenhäusern ist nachvollziehbar. Doch wäre dem klinisch bedeutsamen und sensiblen Thema eine sachlich ausgewogene Aufklärung gerechter geworden als die mehr oder weniger plakative Aufzählung einzelner Zitate (Die Pauschale fürs Sterben, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.12.2012, S. 34).

Natürlich machen wir alle uns Sorgen über die drohenden Auswüchse einer erlösorientierten Patientenversorgung (Chefarztboni, Schlagzahlerhöhung bei Herzkatheteruntersuchungen, Hüftoperationen etc.). Aber manches muss man auch differenziert sehen. Gerade anhand der Palliativmedizin möchte ich das hier unseren Lesern des klinikarzt deutlich machen und oben zitierten Beitrag fachlich ergänzen:

Hinsichtlich seiner Grunderkrankung erhält also jeder Krankenhauspatient eine Fallpauschale (DRG – Diagnosis Related Group), z. B. bei Lungenkrebs „Bösartige Neubildung Lunge“. Auf einer Palliativstation kann als Zusatzentgelt (ZE) ab einer Verweildauer von 7 Tagen eine sogenannte Komplexbehandlung gestaffelt abgerechnet werden. Für eine Verweildauer bis zu 6 Tagen ist der Mehraufwand mit der zugrunde liegenden DRG bereits abgebildet. Danach können die sogenannte „Palliativmedizinische Komplexbehandlung“ (OPS 8-982) und seit 2012 die „Spezialisierte stationäre palliativmedizinische Komplexbehandlung“ (OPS 8-983e) berechnet werden. Letztere setzt Folgendes voraus: Eine 24-stündige Behandlung auf einer eigenständigen Palliativeinheit mit mindestens 5 Betten durch ein multidisziplinäres und multiprofessionelles besonders spezialisiertes Team aus Medizin, Pflege, Sozialdienst, Psychologie, Seelsorge, Physiotherapie, Kunst u.a. Darüber hinaus werden ehrenamtliche Mitarbeiter/innen mit einbezogen, nicht zuletzt für die unverzichtbare Mitbetreuung der Angehörigen.

Aus eigener klinischer Erfahrung, aber auch aus meiner Sicht als Vorstandsmitglied des DHPV – Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., begrüße ich doch grundsätzlich die „spezialisierte“ höhere Komplexpauschale als einen richtigen Schritt auf dem Weg zu einer Qualitätsverbesserung.

Allerdings sind entgegen ersten Ankündigungen auch für 2013 die Vergütungsbeträge für beide Komplexbehandlungen gleichgeblieben und sogar gemindert – bei deutlich unterschiedlichem Aufwand.

Zusatzentgelte sind im System gedeckelt und nicht extrabudgetär, was allein mit Blick auf die für 2013 zu erwartenden Kostensteigerungen im Sachbereich von rund 2,5 % und Lohnbereich von 5 %, zuzüglich höherer Versicherungsprämien, Energiekosten etc., wünschenswert wäre.

Der DHPV setzt sich seit langem für eine gute Kooperation zwischen der Palliativ- und Hospizversorgung ein, die zunehmend gelingt. Wie in der Sonntagszeitung beschrieben, kann allerdings die postulierte Wartezeit auf einen Hospizplatz kein Kriterium für eine allgemeine Unterversorgung durch die Palliativmedizin sein. Im Gegenteil: Die stationäre Palliativversorgung, die eine akute Krisenintervention bei Schwerstkranken und Sterbenden in würdevoller räum und menschlicher Atmosphäre ebenso anbietet wie die stationäre und ambulante Hospizversorgung, hat stets die Entlassung des Patienten zum Ziel. Am liebsten nach Hause und gegebenenfalls mithilfe der sich inzwischen „spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“. Selbstverständlich kann im auch die stationäre oder ambulante organisiert werden.

Sicher, letztendlich kann insbesondere in der Palliativmedizin keine ökonomische Pauschale die intensive zeitliche und menschliche Zuwendung gegenüber den Patienten und ihren Angehörigen adäquat bewerten. Dem Ehrenamt, dem nach wie vor ein großer Dank gebührt, ist dies seit jeher bekannt.