Pneumologie 2013; 67 - P72
DOI: 10.1055/s-0033-1334795

Lifestyle oder Sucht – Prävention oder Therapie?

K Vitzthum 1, S Föhse 1, M Salamero y Mur 1, W Pankow 1
  • 1Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, Klinik für Pneumologie, Berlin

Die wissenschaftliche Diskussion um die Anerkennung der Tabakabhängigkeit als Suchterkrankung ist in Deutschland entbrannt, insbesondere seit die ersten Ergebnisse über die gesundheitlichen und ökonomischen Vorteile der Nichtraucherschutzgesetze vorliegen. Der Bedarf nach einer (stationären) Tabakentwöhnung für besondere Patientengruppen (z.B. COPD) wird in Fachkreisen seit langem gefordert. Ein besonderes Patientenkollektiv sind Menschen mit einer Lernbehinderung oder einer Intelligenzminderung im Rahmen der Gesundheitsvorsorge. Unter älteren Intelligenz geminderten Erwachsenen liegt die europaweite Rauchprävalenz bei 10% (vgl. POMONA II). Im Rahmen dieses Pilotprojektes wurden drei intelligenzgeminderte COPD-Patienten in einem quasi-stationären Setting bei der Tabakentwöhnung unterstützt und über einen Zeitraum von 12 Monaten nachbetreut. Im Januar 2012 führten wir an unserem Tabakentwöhnungsinstitut (Vivantes) ein Pilotprojekt mit drei mental retardierten COPD Patienten (2 Männer, 1 Frau) durch. Eine Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus wurde für 1 Woche angemietet. Die Patienten absolvierten täglich je zwei verhaltenstherapeutisch und medizinisch orientierte Therapieeinheiten à 2 Stunden. Im Anschluss an die Intensivbetreuung wurde eine engmaschige Nachsorge mit 1 – 2 monatlichen Besuchen in der therapeutischen Wohngemeinschaft vereinbart und durchgeführt. Ein männlicher Patient war auf Anhieb rauchfrei; die beiden anderen Patienten hielten mithilfe von Nikotin-Pflastern tagsüber gut durch, hatten jedoch abendliche Ausrutscher; im Rahmen der Nachsorge gelang es einem weiteren Patienten rauchfrei zu werden. Verbesserungen der Lungenfunktionstests um ca. 20% bei den erfolgreichen Teilnehmern konnten durch den niedergelassenen Facharzt festgestellt werden. Subjektiv empfundene Verbesserungen der Lebensqualität wurden berichtet. Im Rahmen dieses Pilotversuches konnte eine Erfolgsquote von 33% erreicht werden. Ähnliche Abstinenzraten werden auch von „normalen“ Teilnehmerkollektiven berichtet. Eine intensivierte Entwöhnungstherapie scheint Aufwand und Nutzen bei komplexen Patientengruppen zu rechtfertigen.