Pneumologie 2013; 67 - V402
DOI: 10.1055/s-0033-1334520

Die vergessene Erkrankung als Ursache eines septischen Schocks

P Stoll 1, J Henschel 1, M Gloger 1, M Lommatzsch 1, JC Virchow 1
  • 1Universitätsmedizin Rostock; Zentrum für Innere Medizin, Abteilung für Pneumologie

Der Morbus LEMIERRE ist ein sehr seltenes, septisches Krankheitsbild, das durch eine sekundäre septische Thrombose einer Vena jugularis interna ausgelöst wird. Die Erkrankung folgt mit einer Latenz von Tagen bis Wochen häufig auf eine inadäquat therapierte Infektion der oberen Atemwege und wird durch das gramnegative Stäbchen Fusobacterium necrophorum ausgelöst. Beschrieben wird der Fall eines 31-jährigen, bis dato gesunden Patienten, der nach unvollständiger Einnahme eines ambulant verordneten Antibiotikums für eine Angina tonsillaris mit dem Bild eines septischen Schocks und Multiorganversagens auf der Internistischen Intensivtherapiestation behandelt werden musste. Zusätzlich zu einem akuten Nierenversagen, einer septischen Thrombozytopenie und multiplen septischen pulmonalen Embolien entwickelte sich ein schweres ARDS. Die kalkulierte antibiotische Therapie mit Imipenem/Cilastatin und Linezolid führte zu einem deutlichen Rückgang der Entzündungszeichen. Die Organversagen konnten durch die Behandlung mit hochdosierten Katecholaminen und mit einer temporären extrakorporalen CO2-Elimination beherrscht werden. Neben den septischen Lungenembolien war eine Thrombose der Vena jugularis interna dextra nachweisbar. Wie für das Krankheitsbild typisch, gelang der mikrobiologische Nachweis von Fusobacterium necrophorum erst nach dem Abschluss der Behandlung des septischen Krankheitsbildes. Die ausgeprägten pulmonalen Veränderungen waren ein Jahr nach akuter Erkrankung vollständig rückläufig. Bei Patienten mit pulmonalen septischen Embolien und vorausgegangenen Infekten der oberen Atemwege gilt es, an eine septische Streuung infolge einer sekundär infizierten Thrombose der Jugularvenen durch Fusobacterium necrophorum zu denken. Der beschriebene Fall demonstriert, dass die im Zeitalter der Antibiotika „Vergessene Erkrankung“ eines Morbus LEMIERRE, die in der präantibiotischen Ära beinahe ausschließlich deletär verlief, unter diesen Umständen kurativ behandelbar ist.