Klin Padiatr 2013; 225(02): 57-63
DOI: 10.1055/s-0033-1333760
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Kinder mit Lernstörungen und Behinderungen in integrativen Schulen oder in Sonderschulen? Die Sichtweise von Eltern und Fachleuten

Children with Learning Disabilities and Handicaps in Inclusive Schools or in Special Schools? The View of Parents and Professionals
H. Bode
1   Kinderneurologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugenmedizin, Ulm
,
V. Hirner
1   Kinderneurologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugenmedizin, Ulm
› Author Affiliations
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Publication Date:
22 March 2013 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund:

Die Studie sollte die Sicht von Eltern und Mitarbeitern eines Sozialpädiatrischen Zentrums zur schulischen Situation von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und zum Besuch integrativer Schulen zeigen.

Probanden:

54 Kinder im Jahr vor der Einschulung und 155 Schulkinder. Bei ihnen bestanden körperliche-, geistige-, sprachliche- oder Sinnesbehinderungen, Lern- oder Verhaltensstörungen.

Methode:

Elternfragebögen zu Vorschul- und Schulkindern und ein Mitarbeiterfragebogen zu jedem Kind wurden ausgewertet. Erfragt wurden Schulerfahrungen und -erwartungen der Eltern und die Schwere der Beeinträchtigung. Einschätzungen und Empfehlungen von Eltern und Mitarbeitern wurden verglichen.

Ergebnisse:

135 Kinder besuchten eine Sonderschule, 20 eine integrative Schulform. Eltern waren mit der Schule ihrer Kinder sehr zufrieden, obwohl 33% die Schule nicht frei wählen konn­ten. Sie hatten eine positive Einstellung zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen. Die Tendenz zu integrativen Schulen sank mit der Schwere der Be­einträchtigung. Eltern und Mitarbeiter schätzten die Schwere der Beeinträchtigung ähnlich ein. Bei Vorschulkindern tendierten die Eltern häufiger, bei Schulkindern seltener als die Mitarbeiter zu einer integrativen Schulform für das jeweilige Kind.

Schlussfolgerung:

Eltern von Kindern mit Lernstörungen oder Behinderungen wünschen für ihre Kinder z.T. eine Sonderschule, z.T eine integrative Schule. Eine verbesserte pädagogische und sozialpädiatrische Beratung bei der Schulwahl ist unabdingbar, vor allem bei gestärktem Elternwahlrecht.

Abstract

Background:

To investigate the view of parents and professionals on sending children with special educational needs to inclusive schools.

Probands:

54 preschool children in the year before school entry and 155 school children attending a Social Pediatric Center. They displayed motor-, mental-, speech- or sensory handicaps, learning or behavioral disabilities.

Methods:

Questionnaires for parents of preschool- and of school children and questionnaires for the professional caring for the child were evaluated and compared. Parental expectations, experiences concerning school and the severity of disability were determined.

Results:

135 pupils attended special schools and 20 integrative schools. The parents were generally very content with both types of schools despite the fact that 33% of parents had not have a free choice of the school. They had a positive attitude to inclusive education. Preference for inclusive schooling decreased with increasing severity of the child’s disability. The severity of disability was rated similar by parents and by professionals. Parents of preschool children tended more often and parents of school children less often than professionals towards sending the individual child to an inclusive school.

Conclusion:

Some parents of children with special educational needs would like to send their child to a special school, others prefer inclusive schools. It is paramount to improve the professional advice and guidance to parents since parental options to choose the school for their child are increasing in Germany.

 
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