Der Nuklearmediziner 2013; 36(01): 7-8
DOI: 10.1055/s-0033-1333697
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue gesetzliche Regelungen in der Nuklearmedizin

G. J. Meyer
1   Klinik für Nuklearmedizin, Medizinische Hochschule Hannover
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03 April 2013 (online)

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Prof. Dr. Geerd-J. Meyer

Die Überarbeitung bestehender gesetzlicher Texte und Verwaltungs-Verordnungen führt leider fast immer zu einer Ausweitung der regulativen Vorschriften für das Handeln derjenigen, die verantwortungsvolle Arbeiten ausführen. Die Gründe für eine Überarbeitung bestehender Regulierungen können unterschiedlicher Art sein. Zum ersten ist hier der Wunsch nach weiterer Perfektion und verbesserter Qualität der Handlungsergebnisse zu nennen. Unter diesem Aspekt werden bei der Neufassung von Handlungs- und Durchführungsvorschriften Experten befragt, die mögliche Qualitäts- und Sicherheitsmängel unter den alten oder neuen Rahmenbedingungen aufzeigen sollen und die dann Vorschriften zur Vermeidung solcher Gefahren erarbeiten sollen. Dabei besteht die Gefahr, dass Experten, die solche Aufträge erhalten neben ersichtlich notwendigen und wünschenswerten Anpassungen durch das Aufzeigen von relativ gering relevanten Gefahrenquellen bzw. solchen mit nur geringem statistischen Potenzial regulative Erweiterungen vorschlagen, deren Notwendigkeit sich dem Betrof­fenen aus der Praxis nicht unmittelbar erschließt, zumal wenn die mit diesen Gefahrenquellen verbunden Risiken in keiner erkennbar vernünftigen Relation zu anderen relevanten Risiken stehen.

Nun ist es gerade im Umgang mit ionisierender Strahlung grundsätzlich verpönt, die damit verbundenen Risiken mit denen verschiedener ­anderer zivilisationsbedingter Risiken oder auch medizinischen Handlungsrisiken zu vergleichen, geschweige denn diese im Hinblick auf solche ­anderen Risiken zu relativieren. Neben persönlichen, emotionalen Befindlichkeiten und sozialpolitisch strategischem Kalkül sind es auch ethisch motivierte Gründe, die zu einer Ablehnung von Risiko-Vergleichen führen. Hier tut sich gerade auch die Medizin schwer, die meist aus ethischen Gründen einer Kosten-Nutzen Abwägung bewusst aus dem Wege geht.

Ein weiterer Grund für die Überarbeitung bestehender Regulierungen ist die Umsetzung und/oder Einbeziehung überregionaler (EU) oder übergreifender Vorschriften und Gesetze in bereits bestehende Regulierungsvorschriften. Hierbei kommt es sehr häufig zu Unstimmigkeiten, weil in den neuen oder einzubeziehenden Vorschriften fachspezifische Anpassungen oder gar Ausnahmeregelungen fehlen, die erst bei der Umsetzung dieser Regelungen auffallen. Dadurch ergeben sich Grauzonen, in denen sich rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Einhaltung, Durchführung und Überwachung von Vorschriften ­ergeben.

Ein manchmal unterschätzter Antriebsgrund für die Ausweitung von Vorschriften ist nicht zuletzt die weit verbreitete Angst vor der Verantwortung für verantwortungsvolles Handeln. Diese Angst findet sich auf vielen Ebenen. Einerseits versuchen Gesetzgeber und Behörden sich gegen Regressansprüche durch Versäumnisse in den Regularien abzusichern, zum anderen sind auch Handelnde, vornehmlich in öffentlichen Diensten und äquivalenten Einrichtungen, bemüht, sich durch regulative Vorschriften in ihrem Handeln abzusichern.

Es soll nicht verkannt werden, dass durch die Ausweitung und Aufforstung der Regularien letztlich zu einem optimierten und standardisiertem Handeln gezwungen wird, das an sich zu begrüßen ist. Dass medizinisches Handeln durch die Überfrachtung mit Vorschriften aber auch wieder fehleranfällig werden kann, wenn es im Vorschriften-Wald zu Arbeitsüberlastungen und Verwechselungen kommt, ist andererseits ein nicht zu übersehender Nachteil. Darüber hinaus sind der erhebliche zusätzliche Organisations-Aufwand und die intensive Dokumentationspflicht erheblich verteuernde Faktoren unserer medizinischen Leistungen geworden, da sie sehr zeit- und personalaufwändig sind.

In diesem Heft werden die spezifisch die Nuklearmedizin betreffenden Regularien, die gerade in den letzten Jahren intensiv überarbeitet wurden, aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Die strahlenschutzrechtlichen Voraussetzungen zum Umgang mit radioaktiven Arzneimitteln sind vom Grundsatz her nicht wesentlich verschärft worden. Es sind aber viele aufwändige neue Dokumentationspflichten hinzugekommen. Zum Teil sind diese Dokumentationspflichten aber noch gar nicht detalliert ausgearbeitet, sodass die Überwachungsstellen keine Vorgaben für deren Ausführungsform haben. Ich denke dabei besonders an die jetzt ausgeweitete Pflicht für Qualitätskontrollen der Radiopharmaka. Wie Herr Prof. Piotrowski in seinem Beitrag erwähnt, wird es hier erst in näherer Zukunft zu weiteren Ausführungsbestimmungen kommen. Es ist nicht auszuschließen, dass die hier vorhandene Überschneidung strahlenschutzrechtlicher und arzneimittelrechtlicher Aspekte ein Thema für weitere Überarbeitungen und Novellierungen der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin sein wird.

Eine wesentlich einschneidendere Veränderung in den uns betreffenden Regularien ergibt sich aus der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG). Durch den Wegfall des bis zur 14. Novelle des AMG gültigen § 4a, der die eigene Herstellung von Arzneimitteln durch einen selbst anwendenden Arzt außerhalb des AMGs erlaubte, wird durch die 15. Novelle die eigene Herstellung dem AMG unterstellt. Da das BMG seither auch die Präparation von 99m Tc-markierten Radiopharmaka als einen Herstellungsprozess ansieht, wird diese eigene Herstellung sowohl anzeigepflichtig wie auch der Überwachung durch die lokalen Arzneimittel-Aufsichtsbehörden unterstellt. Obwohl der § 13 (2), die eigene Herstellung durch einen persönlich anwendenden Arzt auch ohne formale Herstellungserlaubnis gestattet, verlangt diese Herstellung aber doch Randbedingungen, die sich in der Praxis als nur schwer durchführbar erweisen. Abgesehen von bisher nicht definierten räumlichen und anderen praktischen Bedingungen, muss der unter §13 (2) herstellende Arzt die unmittelbare fachliche Verantwortung für die Herstellung der Arzneimitteln, die er persönlich einem Patienten applizieren möchte, übernehmen. Daher müssen die ihm dabei helfenden Mitarbeiter ihm persönlich verantwortlich sein. Sofern mehrere Ärzte in einer Einrichtung tätig sind, müssten Abgrenzungsverträge für die an der Herstellung beteiligten Personen abgeschlossen werden, um die unmittelbare fachliche Verantwortung verschiedenen Ärzten zuzuordnen.

Aus mehreren Artikeln in diesem Heft geht hervor, dass es keine einheitlichen Vorgehensweisen der Überwachungsorgane für die Überprüfung speziell derjenigen Bereiche gibt, bei denen es Überschneidungen der strahlenschutzrechtlichen und arzneimittelrechtlichen Aspekte gibt. Dabei werden hier individuelle Lösungen aufgezeigt, die teilweise als Vorbilder für andere Installationen dienen können. Teilweise mögen diese Lösungen zunächst einen abschreckenden Charakter haben. Bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass auch bei den strikten Vorgaben durchaus pragmatische Lösungen gefunden wurden, die, gemesssen an den allgemeinen Regeln, mit etwas geringem Aufwand erreicht werden konnten. Damit wird deutlich, dass bei aller Notwendigkeit zur Vereinheitlichung der Regeln auch weiterhin eine Suche nach individuellen pragmatischen Lösungen geboten ist und dass diese auch gefunden werden können.

Unter diesem Aspekt sind die Standesorganisationen und Fachgesellschaften natürlich aufgerufen, weiterhin durch die Vorlage von fundiert erarbeiteten Erkenntnissen den Behörden Entscheidungshilfen zukommen zu lassen, die solche pragmatischen Lösungen ermöglichen.

Bei jeglichem medizinischen Handeln sind Risiken und Nebenwirkungen niemals gänzlich auszuschließen. Dies gilt auch beim Umgang mit radioaktiven Arzneimitteln. Im Vergleich mit den Risiken, die in anderen medizinischen Fachbereichen in Betracht gezogen werden müssen, sind die Risiken hier aber wesentlich geringer. Es steht außer Frage, dass auch in der Nuklearmedizin Standards eingehalten werden müssen und dass es Regeln für das medizinische Handeln in diesem Fachgebiet geben muss. Der beste Schutz vor unerwünschten Nebenwirkungen und zur Minimierung der Risiken bleibt aber neben der Beachtung von Regularien ein fundiertes Fachwissen und bewusst verantwortliches Handeln.