intensiv 2013; 21(01): 4-5
DOI: 10.1055/s-0032-1332226
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sprache

Heidi Günther
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Publication Date:
07 January 2013 (online)

Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken.

(Samuel Johnson, 18.09.1709–13.12.1784, engl. Gelehrter, Schriftsteller und Kritiker)

Ich freue mich, dass ich von jetzt an regelmäßige Kolumnen für Sie schreiben darf.

Mein Name ist Heidi Günther, ich lebe in München und bin schon sehr lange Krankenschwester. Und wenn ich schreibe „lange“, dann ist es auch sehr lange. Und von dieser langen Zeit habe ich fast 20 Jahre auf Intensivstationen gearbeitet – weiß daher auch sehr genau, worüber ich schreibe.

Aber, wie alles im Leben seine Zeit hat, war meine Zeit in der Intensivmedizin auch irgendwann vorbei. Nun arbeite ich als Stationsleitung einer septischen Abteilung in einer orthopädischen Klinik hier in München und ich kann allen versichern, das ist auch nicht ohne.

Es sind aber nicht nur die fachlichen Herausforderungen, denen ich mich täglich stellen muss, sondern auch die Anforderungen an mich als Stationsleitung. Dabei beobachte ich seit Jahren merkwürdige, manchmal sogar befremdliche Veränderungen – besonders in unserer täglichen Sprache.

Um heute beruflich überhaupt erst zu ver-stehen und dann zu be-stehen muss ich, als durchschnittlich gebildeter Mensch, schon die Zähne zusammenbeißen und Nerven zeigen.

Vor einigen Jahren ging ich noch unbekümmert zur Arbeit. Hatte ich damals einen Termin, eine Versammlung oder ähnliches, bekam ich eine Tagesordnung vorab, nahm dann meinen Schreibblock – wahlweise Klemmbrett oder irgendein Heft – und dann ging es los.

Heute? Undenkbar!

Die Themen der Jours fixes und Meetings werden in einer Agenda angekündigt. Manchmal muss ich noch eine To-do-Liste abarbeiten um mein Portfolio aufzufrischen. Vielleicht sollte ich vor dem Meeting noch einmal das Script vom letzten Mal lesen. Klug ist es auch immer über News im Business informiert zu sein. Schließlich will ich ja up to date sein. Es kommt auch vor, dass ich Rede und Antwort stehen muss. Und dann immer die Sorge, ob ich dem Benchmark des Managements gerecht werde. Habe ich gut implementiert? Habe ich auch meine Ressourcen genutzt, meine Skills zeigen können oder falle ich bei der Evaluierung gnadenlos durch? Schließlich will ich ja als High Performer gesehen werden. Nur gut, dass ich in der Pflege arbeite und mir durch die Dienstbekleidung wenigstens erspart bleibt, meinen Stil zu ändern und viel Geld für einen Businessdress auszugeben. Obwohl mir ein kleines Schwarzes und weißer Kragen sehr gut stehen würde.

Noch halte ich mich ja meist ganz gut und kann den Inhalten der einzelnen Veranstaltungen folgen. Aber was, wenn diese Entwicklung stetig so weiter geht? Meine Schulenglischkenntnisse erschöpft sind? Ich stehe ja jetzt schon manchmal in „the Rain“ und es scheint ja kein Ende in Sicht zu sein.

Am besten gefällt mir in diesem Zusammenhang: Management by walking around. Nur leider hat es mit mir bisher noch niemand gemacht und das ist wahrscheinlich auch besser so. Natürlich habe ich im Laufe der Zeit Mechanismen entwickelt, um nicht ganz so dumm dazustehen, wenn ich wieder einmal nicht wusste, worum es gerade geht. Zu meinen Selbstschutz werde ich diese hier aber nicht verraten. Außerdem habe ich über mich gelernt, dass ich eher der Get-together-Typ bin. Und das ist ja auch schon mal etwas.

Dummerweise werden viele Dinge nicht automatischer besser, nur weil sie mit Anglizismen belegt werden. So ist es dann auch ganz gut, dass zumindest in der Politik verständlich gesprochen und verkündet wird. Da wird nun die Praxisgebühr und nicht Practice Charge abgeschafft, es wird über einen Mindestlohn und nicht über Wage Lower Limit gestritten, und über ein Endlagersuchgesetz und nicht über Final Disposal Site Searching Law nachgedacht. Alles nur, damit Menschen wie ich das auch verstehen

Wie dem auch sei, werde ich mich wohl damit abfinden müssen, dass auch das neue Jahr, sprachlich gesehen, keine Besserungen bringen wird und ich auch weiterhin total business as usual sein muss. Wenigstens ist am 21. Februar 2013 der internationale Tag der Muttersprache. Ehe es aber soweit ist, sprechen wir wahrscheinlich vom International Day of the Native Language. Zumindest muss ich nun nicht lange rumrätseln und bin voll up to date.

In diesem Sinne, helpful greetings and on a new!

Ihre Heidi Günther