Zusammenfassung
Hintergrund: Multiple Sklerose (MS) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen des jungen
Erwachsenenalters. Sie ist gekennzeichnet durch einen meist chronisch progredienten
Verlauf mit weitreichenden Beeinträchtigungen in privaten und beruflichen Lebensbereichen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine literaturbasierte Darstellung der aktuellen
Arbeitssituation von MS-Patienten unter Berücksichtigung von krankheitsspezifischen,
therapeutischen, psychosozialen und sozioökonomischen Einflussfaktoren. Neben der
Darstellung der internationalen Datenlage gilt dem aktuellen Forschungsstand in Deutschland
ein besonderes Interesse.
Ergebnisse: Laut deutschen und internationalen Untersuchungen sind rund 40 % der MS-Patienten
im erwerbsfähigen Alter nicht mehr erwerbstätig. Hauptgründe hierfür sind krankheitsspezifische
Faktoren, wie zum Beispiel Einschränkungen im Bereich der Mobilität und der oberen
Extremitäten, Fatigue und kognitive Beeinträchtigung. Diese Symptome werden laut dem
Deutschen Multiple Sklerose Register (DMSR) noch immer unzureichend behandelt. Bei
Patienten mit geringer motorischer Einschränkung (EDSS ≤ 3,0) haben depressive Störungen
einen großen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit. Eine Zunahme der Progression, ein
relativ gesehen höheres Alter bei der Diagnosestellung sowie die Ausübung einer physisch
schweren Arbeit gelten im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit als prognostisch ungünstig.
Nicht krankheitsspezifische Gründe für Einschränkungen der Erwerbstätigkeit sind unter
anderem der Mangel an flexiblen Arbeitszeiten, das Fehlen von flexiblen Ruhepausen,
Unverständnis am Arbeitsplatz sowie die persönliche Einstellung zur Arbeit.
Schlussfolgerung: Der aktuelle Erkenntnisstand zur Erwerbssituation von MS-Patienten basiert fast ausnahmslos
auf internationalen Untersuchungen (Skandinavien, England, USA, Australien, MSIF Survey).
Aussagekräftige Daten zur Erwerbssituation von MS-Patienten in Deutschland liegen
derzeit lediglich in Form des DMSR vor. Die Daten machen deutlich, dass Symptome wie
Fatigue, Ataxie und kognitive Beeinträchtigung noch immer unzureichend behandelt werden.
Die Gründe für die unzureichende Versorgung sind vielfältig – nicht zuletzt fehlen
jedoch gerade bei der Behandlung von Ataxie, Fatigue und kognitiven Beeinträchtigungen
effektive und ausreichend evaluierte Therapieoptionen. Umfassende Studien zu spezifischen
Einflussfaktoren auf die Erwerbsfähigkeit von MS-Patienten in Deutschland fehlen.
Abstract
Background: Multiple sclerosis (MS) is one of the most common neurological disorders in young
adults. It is characterised by a chronic progressive course with far reaching implications
on the patient’s private and professional life. Based on the current literature, employment
status is analysed in relation to disease-specific, therapeutic, psychosocial, and
socioeconomic factors. A special emphasis is placed on the vocational status of MS
patients in Germany.
Results: According national and international studies, around 40 % of all MS patients are
currently unemployed. Main reasons for early retirement are disease-specific factors
such as impaired mobility, disability in the upper extremities, fatigue, and cognitive
impairment. According to the German Multiple Sclerosis Registry (GMSR), these symptoms
are still insufficiently treated. In patients with minor motoric impairment (EDSS
≤ 3.0), depressive symptoms seem to have a major impact on employment status. Disease
progression, older age at diagnosis, and hard physical work are negative predictors
in terms of employment situation. The lack of flexible working hours, the inability
to have flexible resting times at work, a lack of understanding from colleagues and
employers as well as the personal attitude were main non-disease-specific reasons
for early retirement.
Conclusions: The current knowledge on the vocational status in MS is mainly based on international
studies (e. g., Scandinavia, England, USA, Australia, MSIF Survey). For Germany, only
the GMSR supports significant information on the employment status of MS patients.
According to the GMSR, ataxia, fatigue and cognitive dysfunction are still insufficiently
treated – a situation that is at least partly due to insufficient treatment options.
Comprehensive studies that focus on a broad range of possible influencing factors
on vocational status of German MS patients are currently lacking.
Schlüsselwörter
Multiple Sklerose - Erwerbstätigkeit - Arbeitslosigkeit - Berentung - Rente - Behinderung
- Lebensqualität
Key words
multiple sclerosis - employment - retirement - disability - quality of life - unemployment