Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(10): 1-3
DOI: 10.1055/s-0032-1327909
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

EDITORIAL

M. W. Beckmann
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Publication Date:
31 October 2012 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser,

die 36 hochschulmedizinischen Standorte in Deutschland verbrauchen jährlich 1,2 Milliarden Euro an Drittmitteln (Ärzteblatt 109 [36], A 1804, 14. 9. 2012). Zu einem Viertel stammen diese Mittel von der DFG, zu einem weiteren Viertel aus der Wirtschaft. Ein Sechstel kommt vom Bund, ein Zehntel von Stiftungen. Diese Zahlen aus dem Jahr 2008 gelten für die universitäre Medizin insgesamt. Wie sich die Förderung unter den verschiedenen medizinischen Fachgebieten verteilt, ist nicht leicht nachzuvollziehen. Der „Förderatlas 2012“ der DFG, der umfangreiche „Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland“ anbietet (Download auf www.dfg.de), unterscheidet auf Fachgebietsebene zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften, Lebenswissenschaften, Natur- und Ingenieurswissenschaften; die Medizin ist hier ein Teilgebiet neben Biologie, Tiermedizin/Agrar-Forstwissenschaften. Eine weitere Differenzierung, die eine Einordnung der Geburtshilfe und Frauenheilkunde geben könnte, ist nicht verfügbar.

Etwas aufschlussreicher ist die GEPRIS-Datenbank der DFG (www.gepris.dfg.de), in der die geförderten Projekte der DFG aufgeführt sind. Dieser Datenbank zufolge sind im Bereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe seit dem 1. Januar 1999 insgesamt 213 Projekte von der DFG unterstützt worden. Diese Zahl wirkt im Vergleich zur Inneren Medizin gering (Gastroenterologie: 574 Projekte, Kardiologie: 516 Projekte; Pneumologie: 144 Projekte). Allerdings ist nicht auszuschließen, dass gynäkologische Forschung eventuell auch in einer Reihe von Projekten gefördert wird, die in der Reproduktionsmedizin (31 Projekte), der Humangenetik (374 Projekte) und insbesondere der Hämatologie/Onkologie/Transfusionsmedizin (626 Projekte) aufgeführt sind.

Der breite interdisziplinäre Scope des Fachs Geburtshilfe und Frauenheilkunde erschwert den Vergleich mit anderen Fachgebieten. Versucht man, den Stellenwert unseres Fachs insgesamt abzuschätzen, ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Forschungsförderung im Fach insgesamt sehr ungleich verteilt ist. Die Schwerpunkte der Frauenheilkunde sind mit einer Ausnahme, der Onkologie, in den heutigen Zentren der Gesundheitsforschung nicht vertreten. Nur die gynäkologische Onkologie hat Zugang zu den Konsortien; sie wird vergleichsweise sehr gut auch von anderen industrieunabhängigen Institutionen als der DFG wie Stiftungen, besonders der Krebshilfe, unterstützt. Die Onkologie, namentlich die Mamma-Onkologie, ist derjenige Forschungsbereich, in dem die deutschen Lehrstühle in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde die meisten Impact-Punkte generieren. Auf der anderen Seite gibt es Fachgebiete, die in immer geringerem Maß überhaupt noch an den Universitätskliniken gepflegt werden – wie die Endokrinologie –, oder die überproportional von den ökonomischen Erwartungen der Kliniken getrieben werden – wie die Geburtshilfe.

Wer den diesjährigen Kongress der DGGG besucht hat, hat gesehen, dass die Frauenheilkunde in Deutschland in ihrer ganzen Breite stark aufgestellt ist. Die Leistungsfähigkeit im Fach an den Kliniken ist nach wie vor hoch. Zu welchen Leistungen die klinische Frauenheilkunde in der Lage ist, zeigt die Entwicklung der Zentren, in denen komplexe Prozesse von Qualitätssicherung und -Monitoring implementiert wurden und zu echten Fortschritten in Diagnostik und Therapie geführt haben. Auf die Forschungslandschaft ist das nicht ohne weiteres übertragbar – Forschung ist schließlich Wettbewerb. Die Frage ist aber erlaubt, welche gemeinsamen Anstrengungen das Fach unternehmen kann, um sein Potenzial in der Forschung besser freizusetzen.

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Prof. Dr. Matthias W. Beckmann