Pädiatrie up2date 2013; 08(01): 3
DOI: 10.1055/s-0032-1326204
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ökonomisierung der Medizin

Hans-Iko Huppertz
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Publication Date:
16 April 2013 (online)

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Hans-Iko Huppertz

Unter der Überschrift „Betrügerische Ärzte“ wird in der Presse darüber berichtet, dass Ärzte die Krankengeschichten ihrer Patienten so verändert haben, dass diese auf der Warteliste für Organtransplantation vorrückten. Die veröffentlichte Meinung ist sich sicher, dass diese Ärzte für eine geänderte Anamnese bezahlt wurden. Dass eine andere Darstellung auch möglich wäre, dass das Schicksal ihrer Patienten mit dem zermürbenden Warten auf das lebensrettende Organ den Ärzten wichtig war und sie sich in unkollegialer Weise zu sehr für ihre Patienten eingesetzt haben, diese Deutung scheint einigen Journalisten überhaupt nicht in den Sinn zu kommen. Da das Phänomen mehrfach aufgetreten ist, liegt es nahe, hier ein strukturelles Problem zu vermuten. Sehr wahrscheinlich ist tatsächlich die Ökonomisierung der Medizin ein wesentlicher Auslöser, v. a. die Wünsche der Geschäftsführung nach mehr Umsatz und Gewinn. Insofern wäre die journalistische Vermutung, dass es um Geld ginge richtig, aber ganz anders gelagert.

Natürlich gibt es Ärzte, die Fehler machen, die mehr an ihren wirtschaftlichen Vorteil als das Wohl der Patienten denken, die nutzlose IGEL-Leistungen verkaufen oder nicht indizierte Operationen durchführen, die unethisch handeln. Es ist aber falsch, pauschal alle Ärzte zu verdächtigen, statt anzuerkennen, mit welch hoher Achtung der Patienten, mit welch enormer Einsatzbereitschaft die große Mehrzahl der Ärzte ihren Beruf ausführen.

Öffentlich wird die angebliche Ineffizienz des Medizinsystems beklagt. Es sei genug Geld im System, die sog. Leistungserbringer setzten die Mittel aber nicht effektiv genug ein. Deshalb werden Anreize geschaffen, die die Effektivität erhöhen sollen, indem Ärzte mehr an wirtschaftliche Konsequenzen denken. Ein Beispiel hierfür sind sog. variable Anteile in den Verträgen von Chefärzten und leitenden Oberärzten, die bei Erreichen bestimmter Ziele an den einzelnen Arzt ausgeschüttet werden. Dazu gehören die Zahl der behandelten Patienten, die Zahl elektiver Eingriffe, die Höhe von DRG-Erlösen oder sogar die Höhe des Gewinns einer Abteilung. Letzteres ist besonders problematisch, weil ein solcher Gewinn vor allem dann zu erzielen ist, wenn weniger Mitarbeiter als vereinbart beschäftigt werden, wodurch automatisch die Qualität der Arbeit sinkt. Es scheint, dass in einem zunehmend ökonomisch geprägten Medizinsystem kein Platz mehr für die Zuwendung zum Patienten ist. Denn genau diese Zeit wird bei der sog. Effizienzsteigerung eingespart.

Gleichzeitig wird überall mehr Transparenz gefordert. Wissenschaftliche Veröffentlichungen enthalten die Angabe möglicher Interessenkonflikte, also wofür die Autoren zusätzlich zu ihrem Gehalt Geld erhalten haben wie Vorträge, Beratung, Forschungsprojekte, aber auch Beteiligung an Unternehmen. Diese Transparenz ist auch zu fordern, wenn Ärzte variable Bestandteile in ihrem Vertrag haben und sie dem Patienten die Zustimmung zu einer Behandlung oder einem Eingriff nahelegen. Auf dem Aufklärungsbogen sollte ein solcher Hinweis auf einen möglichen Interessenkonflikt enthalten sein.

Eine solche Aufklärung kann sich segensreich auf die Arzt-Patient-Beziehung auswirken. So glauben Patienten nicht selten, dass Ärzte mit der Teilnahme an kontrollierten Studien verdienen würden. Die Offenlegung der Finanzen eines solchen klinischen Forschungsbetriebes zeigt dem Patienten, dass nicht ökonomisches Interesse des Arztes die Triebfeder ist.

Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz
Mitherausgeber Pädiatrie up2date

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