Augenheilkunde up2date 2013; 3(3): 199-213
DOI: 10.1055/s-0032-1325092
Netzhaut, Glaskörper, Augenhintergrund
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prinzipien der Diagnostik retinaler Erkrankungen

Teil 1: FunktionsuntersuchungenDiagnostic Principles for Evaluation of Retinal Disorders. Part 1: Functional Analysis
K. Rüther
1   Sankt Gertrauden-Krankenhaus, Augenklinik, Berlin
,
S. Kellner
2   Zentrum für seltene Netzhauterkrankungen, AugenZentrum Siegburg, MVZ ADTC Siegburg GmbH
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Publication History

Publication Date:
05 September 2013 (online)

Visusminderungen, die durch Veränderungen der Optik nicht erklärt werden können, sowie Gesichtsfeldausfälle, Farbsinnstörungen, Dunkeladaptationsstörungen und erhöhte Blendempfindlichkeit lenken den Verdacht auf das Vorliegen einer Netzhauterkrankung. Die Möglichkeiten zur Diagnostik retinaler Erkrankungen haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Während in den 1990er-Jahren die funktionellen Untersuchungen z. B. durch die Entwicklung und Einführung der multifokalen Elektroretinografie erheblich erweitert wurden, steht in den letzten Jahren die durchgreifende Verbesserung der morphologischen Diagnostik im Vordergrund.

Problemlösungen

Hinweis zur Begutachtung

Die delegierte Durchführung einer automatischen kinetischen Perimetrie bei Netzhautdystrophien führt häufig zur Überschätzung des Restgesichtsfeldes, da Ringskotome und andere Skotome im 30- bis 50-Grad-Bereich nicht erfasst werden. Insbesondere bei Retinitis-pigmentosa-Patienten ist entweder eine genaue Instruktion der Untersucher oder die ärztliche Durchführung der Untersuchung erforderlich.

Entscheidend für die Festlegung des Grades der Behinderung ist das Ausmaß der Ausfälle im 50-Grad-Bereich.

Prinzipien

Elektrophysiologische Untersuchungen in der Augenheilkunde

Elektrophysiologische Untersuchungen in der Augenheilkunde sind grundsätzlich nur im Zusammenspiel mit anderen Untersuchungen sinnvoll und stehen in der zeitlichen Reihenfolge in der Regel hinten. Aufgrund des Aufwands der Untersuchungen sollte immer versucht werden, mit einfacheren Methoden zur Diagnose zu kommen, zumindest aber mit entsprechenden Untersuchungen die Auswahl der am besten geeigneten elektrophysiologischen Untersuchungsmethode möglichst einzugrenzen.

Zielgerichtete Diagnostik

Normwerte

Die Auswertung und Interpretation der Ableitungen ist abhängig von der Existenz valider Normwerte. Dabei ist es nicht möglich, allein auf veröffentlichte oder vom Gerätehersteller zur Verfügung gestellte Daten zurückzugreifen. Die Normwertdarstellung sollte mit der Darstellung der Kurven verbunden werden, um anderen Personen die Beurteilung des ERG zu ermöglichen. Die Normwerterstellung ist nicht einfach, da abhängig von der Datenqualität eine große Zahl von Normpersonen untersucht und verschiedene Altersgruppen gebildet werden müssen. Aufgrund einer nicht vorauszusetzenden Normalverteilung sollte für die Festlegung der Normwerte der Median und das 95 %-Konfidenzintervall herangezogen werden.

Indikationen

Indikationen für Blitz-Elektroretinogramm (Ganzfeld-ERG)

  • Dämmerungssehbeschwerden

  • erhöhte Blendempfindlichkeit

  • unklare Gesichtsfeldausfälle

  • fehlende Fixationsaufnahme im 1. Lebensjahr

  • V. a. Konduktorinnenstatus bei X-chromosomalen Netzhautdystrophien

  • Ausschluss von Netzhautfunktionsstörung bei Netzhautdystrophie in der Familie

  • Nystagmus unklarer Ursache

  • morphologische Fundusveränderungen

  • Potenzialminderung im multifokalen ERG

  • Einnahme retinotoxischer Medikamente

Indikationen

Indikationen für das Multifokal-ERG (mfERG)

  • Visusminderung bei regelrechter Netzhautmorphologie

  • Monitoring bei Chloroquin-/Hydroxychloroquin-Einnahme

  • Monitoring bei erworbenen Makulopathien (diabetisch, Venenverschluss, uveitisch etc.)

  • Visusabfall/fehlender Visusanstieg nach Pars-plana-Vitrektomie

  • objektive Verlaufskontrolle bei zentralen und peripheren Netzhautdystrophien

Indikationen

Indikationen für das Elektrookulogramm

  • vitelliforme Netzhautläsionen

  • V. a. Bestrophinopathie

  • V. a. entzündliche Pigmentepithelerkrankung