Frauenheilkunde up2date 2012; 6(5): 265-266
DOI: 10.1055/s-0032-1324861
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

H. Stepan
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 October 2012 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift „Frauenheilkunde up2date“ hat dieses Mal einen perinatologischen Schwerpunkt mit großer Themenbreite.

Da die Grenzen zwischen der Reproduktionsmedizin und der pränatalen Medizin bzw. pränatalen Diagnostik immer mehr verschwimmen und die Behandlung der frühen Schwangerschaft verstärkt interdisziplinär wird, finden Sie auch ein reproduktionsmedizinisches Thema in diesem Heft. Die Autoren, Dr. Hmeidan und Dr. Jank, die in Leipzig die universitäre Reproduktionsmedizin betreiben, stellen in ihrem Beitrag mit der morphologischen Analyse von Embryonen in der Reproduktionsmedizin eine innovative Diagnostikoption vor. Durch die Einführung des Embryoskops ist es möglich geworden, sozusagen nicht invasiv die morphologische Qualität von befruchteten Eizellen in einer völlig neuen Dimension zu beurteilen. Diese innovative Methode, die gewissermaßen online die ersten Entwicklungstage der Zygote visualisiert und dokumentiert, liefert über den konkreten diagnostischen Ansatz hinaus auch neue Erkenntnisse über die normale morphologische Entwicklung nach der Befruchtung. Es hat sich mit der Einführung des Embryoskops herausgestellt, dass frühere Selektionskriterien für befruchtete Eizellen oft willkürlich, wenn nicht gar falsch waren. Mit dieser neuen Technik der morphologischen Analyse ist es nun hoffentlich möglich, „qualitativ bessere“ Embryonen auszuwählen und zu selektieren. Damit ist die Hoffnung verknüpft, dass sich die Schwangerschaftsrate steigern und sich gleichzeitig ggf. durch den Transfer von nur wenigen Embryonen die Mehrlingsrate senken lässt.

In der pränatalen Diagnostik ist das MRT mittlerweile fester Bestandteil. Nachdem vor Jahren die MRT-Diagnostik nur einen kleinen Raum einnahm, als exotisch galt und ganz seltenen Indikationen vorbehalten war, findet diese Methode jetzt mehr und mehr Akzeptanz und vor allem hat sich das Indikationsspektrum dramatisch verbreitert. Dabei ist klar, dass die MRT-Diagnostik die sonografische Diagnostik nicht ersetzt, sondern ergänzt. Nach einigen Jahren des Lernens haben die MRT-Diagnostiker und pädiatrischen Radiologen viel von der normalen Entwicklung fetaler Strukturen im Schwangerschaftsverlauf (z. B. ZNS) gelernt und es ist nun möglich, bei definierten Fragestellungen, eben z. B. ZNS-Diagnostik, den Ultraschall zu verbessern und die pränatale Beratungssituation dadurch zu präzisieren. Die Autoren Prof. Hirsch und Dr. Sorge aus Leipzig geben zur Rolle der fetalen MRT-Diagnostik ein umfassendes Update.

Ganz besonders wichtig in diesem Heft ist der Beitrag von Frau Hunger-Battefeldt und Frau Groten aus Jena. Hier geht es um die praktische Umsetzung der neuen Leitlinien zum Gestationsdiabetes. Dieses Thema ist von herausragender Bedeutung, weil die Situation einer diabetischen Stoffwechsellage in der Schwangerschaft eine der wenigen Situationen in der Schwangerenmedizin ist, in der – im Gegensatz zu vielen anderen Situationen, in denen zwar präzise diagnostiziert aber kaum therapiert werden kann (Plazentainsuffizienz, Fehlbildungen, Infektionen), – durch eine vernünftige Intervention messbar das fetale Outcome verbessert werden kann und wichtige Weichen für die spätere Gesundheit gestellt werden können. Trotzdem hat die neue Gestationsdiabetes-Leitlinie auch viel Verunsicherung geschaffen, weil durch die abgesenkten Cut-offs zu erwarten ist, dass die Prävalenz des Gestationsdiabetes zunimmt. Alleinige Ursache ist das Herabsetzen der diagnostischen Schwelle. Daraus haben sich auch Befürchtungen abgeleitet, dass möglicherweise zu viele Schwangere ohne Grund verunsichert werden. In unserem Beitrag werden die praktischen Punkte der Umsetzung der neuen Leitlinie ganz klar beschrieben.

Der Beitrag zur Erstversorgung Neugeborener aus Luzern ist ein thematischer Dauerbrenner. Die Erstversorgung von Neugeborenen, die nach der Geburt deprimiert bzw. in einem kritischen Zustand sind, kann jeder Zeit und auch ohne Vorwarnung an jedem Ort eintreten, wo Kinder geboren werden. Insofern ist es unverzichtbar, dass das gesamte geburtsmedizinische Team Grundkenntnisse von der Erstversorgung von Neugeborenen hat, weil gerade hier durch einfache Maßnahmen, die jeder beherrschen kann und üben sollte, wirkungsvoll geholfen werden kann. Auch für Kollegen, die in großen Perinatalzentren arbeiten, wo eine ständige neonatologische Verfügbarkeit in dieser Frage das Leben erleichtert, ist es trotzdem wünschenswert und notwendig, entsprechende Grundkenntnisse und Fertigkeiten zu haben.

Im Forum besprechen wir in einer Zeit, in der der Begriff des Fetalzentrums boomt, orientierend, welche Kriterien erfüllt werden sollten, damit hinter diesem Begriff auch wirklich die interdisziplinäre Struktur steht, die die Fachexperten meinen und die notwendig ist, um entsprechende medizinische Exzellenz abzuliefern.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, auch im Namen aller Autoren, viel Spaß bei der Lektüre und entsprechenden Wissenszuwachs.

Zoom Image
Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. med. Holger Stepan
Leipzig, im September 2012