Z Gastroenterol 2012; 50 - K238
DOI: 10.1055/s-0032-1324173

Mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalomyopathie – eine seltene Ursache für gastrointestinale Pseudoobstruktion

P Nickel 1, R Hüneburg 1, C Kornblum 2, T Sauerbruch 1
  • 1Universitätsklinikum Bonn, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Bonn, Germany
  • 2Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Bonn, Germany

Einleitung: Wir berichten über eine 25-jährige Patientin mit einem Kurzdarmsyndrom nach wiederholter Dünndarmresektion bei Dünndarmdivertikulitiden und ausgedehnter Dünndarmdivertikulose. Weiterhin fielen eine sensomotorische Polyneuropathie auf, die zum V.a. auf ein Guillain-Barré Syndrom führte. Tägliches Erbrechen und Gewichtsverlust trotz zusätzlicher parenteraler Ernährung führten zur erneuten Aufnahme der Patientin.

Ziel und Methodik: Beschreibung des klinischen Bildes einer sehr seltenen Erkrankung.

Ergebnisse: Die Untersuchungen zeigten eine sehr kachektische Patientin mit einem BMI von 11,7kg/m2, einer Laktatämie von 4mmol/l und eine ausgeprägten gastrointestinalen Motilitätsstörung. Die Patientin gab an, seit dem Teenageralter nicht mehr an Gewicht gewonnen zu haben. Ihr jüngerer Bruder zeige ein ähnliches Bild. Daraufhin wurde von uns die Verdachtsdiagnose einer mitochondrialen neurogastrointestinalen Enzephalomyopathie (MNGIE) gestellt und es wurde eine genetische Diagnostik veranlasst, die Mutationen des TYMP-Gens zeigte. Außerdem wies die Pat eine Ophtalmoplegie, Ptosis und eine asymptomatische Leukenzephalopathie auf. Damit war unsere Verdachtsdiagnose gesichert. Die Behandlung blieb supportiv. Im weiteren Verlauf volle parenterale Ernährung sowie Anlage einer Entlastungs-PEG. Beide Maßnahmen führten zum Sistieren des täglichen Erbrechens und Verbesserung der Lebensqualität.

Diskussion: Die Diagnosekriterien einer MNGIE (gastrointestinale Motilitätsstörung, externe Ophtalmoplegie, primär demyelinisierende sensomotorische Polyneuropathie und asymptomatische Leukenzephalopathie) waren bei der Patientin erfüllt. Ursache dieser autosomal rezessiv vererbten Erkrankung ist eine Mutation im für eine Thymidinphosphorylase kodierenden TYMP Gen. Die mangelnde Funktion des Enzyms führt zu deutlich erhöhten Thymidin- und Desoxyuridinspiegeln in Blut und Urin. Dies führt zur Instabilität der mitochondrialen DNA (mtDNA) und Anhäufung von mtDNA Mutationen in verschiedenen Geweben. Die Folge sind die oben geschilderten klinischen Symptome. Die Prävalenz der Erkrankung ist nicht bekannt. Es gibt etwa 70 Fallbeschreibungen. Über weiterführende Therapien mit dem Ansatz die Konzentration von Thymidin zu reduzieren, gibt es bisher nur experimentelle Berichte.