Aktuelle Rheumatologie 2012; 37(05): 287
DOI: 10.1055/s-0032-1323713
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IgG4-assoziierte Erkrankungen

IgG4-Related Diseases
Leonore Unger
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Publication Date:
06 September 2012 (online)

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Leonore Unger

Die Rheumatologie hat in den letzten 20 Jahren durch neue Erkenntnisse in der Pathogenese, durch neue Möglichkeiten der Diagnostik, besonders aber durch die Einführung der Biologika eine regelrechte Revolution erlebt. Die Chance der betroffenen Patienten, ein langes Leben in sehr guter Qualität zu führen, hat sich dadurch enorm erhöht. Eine Gruppe scheint von all den neuen Möglichkeiten ausgeschlossen – das sind die Patienten mit fibrosierenden Erkrankungen. Jeder von uns kennt das Schicksal von Patienten mit rasch fibrosierenden Lungenfibrosen, mehr oder wenig hilflos stehen wir so manchem Patienten mit foudroyant verlaufender systemischer Sklerose gegenüber, wir wissen um die Schwierigkeiten, die Hepatologen mit der Behandlung der primär sklerosierenden Cholangitis und Leberfibrose oder Nephrologen mit der Nephrosklerose haben. Immer haben wir den Eindruck, wir kommen viel zu spät.

Entsprechend groß ist das Interesse, pathophysiologische Mechanismen der Fibrosierung zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist die erst seit einigen Jahren definierte Gruppe der IgG4- assoziierten Erkrankungen von großer Bedeutung, sie führt Spezialisten verschiedener Fachbereiche zusammen. Dies möchten wir mit diesem Heft sichtbar machen.

Erstmals wurden in Japan Fälle mit autoimmuner Pankreatitis und hohem IgG4 im Serum beschrieben, inzwischen hat es Konsensus-Konferenzen gegeben, in denen der Begriff der IgG4-assoziierten Erkrankungen (IgG4-RD) bzw. des „IgG4-multiorgan lymphoproliferative Syndrome (IgG4- MOLPS)“ geprägt und Diagnose-Kriterien vorgeschlagen wurden. Wesentliche Gemeinsamkeit dieser Erkrankungsentität ist eine diffuse oder noduläre, lympho-plasmazelluläre Gewebsinfiltration von IgG4 und Plasmazellen mit chronisch-fibrosierender Entzündungsreaktion in verschiedenen, meist exokrinen Organen. Müller-Hilke und Peter führen ins Thema ein.

Geeignete Aktivitäts-, Verlaufs- und Prognoseparameter für fibrosierende Erkrankungen fehlen bis heute in der Praxis, dies erschwert Entscheidungen, insbesondere für aggressive Therapien wie Cyclophosphamid oder eine Stammzelltransplantation, sehr. Nun gibt es diesbezüglich Fortschritte und die Arbeit von Kollert mit Forschungsergebnissen aus der Arbeitsgruppe um Warnatz aus Freiburg stimmt hoffnungsvoll. Während die Daten zur Wertigkeit des IgG4 zur Verlaufsbeurteilung noch schwierig zu interpretieren sind, sind der CC-Chemokin-Ligand 18 und auch Osteopontin vielversprechende Biomarker.

Die IgG4-assoziierte Cholangitis und -Hepatopathie sind die wichtigsten hepatobiliären Manifestationen bei IgG4-RD, auf diese fokusiert der Artikel von Müller und Berg. Offensichtlich gibt es Unterschiede im natürlichen Langzeit-Verlauf und Therapie- Ansprechen in Abhängigkeit vom IgG4- Spiegel. Höhere IgG4- Spiegel scheinen mit extrahepatischen Manifestationen zu korrelieren. Bei gesicherter Primär Sklerosierender Cholangitis zeigen hohe IgG4-Spiegel einen aggressiveren Verlauf und eine höhere Rezidivneigung nach Transplantation an.

In der Arbeit von Strutz zur Differenzialdiagnostik und Therapie von interstitiellen Nephrititiden wird auch auf die IgG4-assoziierte Form mit ihren histologischen Besonderheiten und die Bedeutung der Nierenbiopsie hingewiesen. Hier ist das Ansprechen auf Kortikoide interessanterweise ebenfalls gut, selbst wenn im Bioptat schon ausgeprägte Fibrosierungen vorhanden sind.

Die Lunge ist bei IgG4-RD häufig (in einigen Arbeiten über 50%) mit betroffen. Schäfer gibt einen Überblick über die Arten des Lungenbefalls. Neben mediastinaler oder hilärer Lymphadenopathie treten knotige parenchymatöse und interstitielle Veränderungen auf, auch noduläre Läsionen in der Pleura sind beschrieben worden. Über Einzelfälle von Traktionsbronchiektasen und tracheobronchialen Stenosen wurde berichtet. Auch Schäfer empfiehlt Biopsien zur Sicherung der Diagnose.

Das Themenheft wird abgerundet durch eine schöne Übersicht von Pipitone zur Pathogenese und Diagnostik dieser Krankheitsentität, der Stellenwert verschiedener bildgebender Verfahren einschließlich des PET-CT wird diskutiert. Pipitone und seine Kollegen haben sich besonders mit der Periaortitis beschäftigt.

In allen Arbeiten werden therapeutische Möglichkeiten diskutiert. Auf Kortikoide sprechen die meisten IgG4-RD glücklicherweise gut an, die Datenlage zu kortisonsparenden immunsuppressiven Therapien ist dünn. Azathioprin, MMF, Cyclosporin, Cyclophosphamid werden im Alltag angewandt, die Erfolge sind oft nicht überzeugend. Innovative antifibrotische Strategien (Interleukin-6-Blockade, B-Zell-Depletion, Tyrosinkinase-Hemmer, TGF-ß1-Antikörper und andere Substanzen) wurden in Einzelfällen eingesetzt bzw. sind Gegenstand klinischer oder präklinischer Studien.

Viele Fragen zum IgG4 und den damit assoziierten Erkrankungen müssen noch geklärt werden. Unser Ziel war es, das vorhandene Wissen in den unterschiedlichen Fachgebieten zusammen zu führen und Aufmerksamkeit für dieses Thema zu wecken. Wir würden uns sehr freuen, wenn uns das gelungen ist.