Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A361
DOI: 10.1055/s-0032-1323524

Medikamentöse Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Eine Analyse der Verordnungen von Methylphenidat und Atomoxetin bei PKV- und GKV-Versicherten

F Wild 1
  • 1Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), Köln

Einleitung: Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die häufigste psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen. Seit einigen Jahren zeigt sich eine stetige Zunahme der Verordnung von ADHS-Medikamenten.

Methoden: Die PKV-Daten basieren auf einer Vollerhebung der Arzneimittelverordnungen von zwölf PKV-Unternehmen einschließlich anonymisierter (teilweise pseudonymisierter) Patientendaten. Die GKV-Daten stammen aus dem Arzneiverordnungsreport. Die Analyse betrachtet den Zeitraum 2006 bis 2011 und hierbei die Wirkstoffe Methylphenidat und Atomoxetin. Es wird untersucht, welche Bedeutung ADHS-Medikamente bei Kindern und Jugendlichen in der PKV einnehmen. Im PKV-GKV-Vergleich wird die Anzahl der verordneten Tagesdosen (DDD) je Versicherten verglichen. Unter Verwendung pseudonymisierter Daten können Aussagen über die Gründe der zeitlichen Entwicklung herausgearbeitet werden.

Ergebnisse: 8% aller Verordnungen von Methylphenidat und Atomoxetin werden „off-label“ außerhalb der empfohlenen Altersgruppe verordnet. Männliche Versicherte erhalten etwa 4-mal häufiger ADHS-Präparate als weibliche. Bei den unter 7-jährigen Mädchen liegt der Anteil aber höher als bei Jungen dieses Alters. GKV-Versicherten werden pro Kopf mehr Tagesdosen (DDD) an ADHS-Mittel verschrieben als Privatversicherten. Der Anstieg der verordneten Zahl der Tagesdosen (DDD) seit 2006 gründet zu einem Drittel auf eine steigende Patientenzahl und zu zwei Drittel auf einer Zunahme der Tagesdosen (DDD) je Patient.

Diskussion: Die Zunahme der verordneten Tagesdosen kann die Folge eines Abbaus einer jahrelangen Unterversorgung, das Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen oder auch das Resultat einer zunehmenden Ausweitung in der Indikationsstellung durch die Ärzte sein. Zur Diskussion Anlass gibt die zunehmende Medikalisierung Betroffener.

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