Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A289
DOI: 10.1055/s-0032-1323452

Bedarfsplanung heute für Morbiditätslast von morgen – Zukunftsorientierte kleinräumige Bedarfsplanungskonzepte am Beispiel der ärztlichen Versorgung

S Sauer 1, M Böckmann 1, H Rothgang 1
  • 1Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen

Einleitung: Die derzeitige Bedarfsplanung berücksichtigt kaum gesundheitliche Bedarfe der Bevölkerung. Ausgehend vom demografischen Wandel und der Zunahme chronischer Erkrankungen ist die Frage: Wie können Bedarfsplanungskonzepte für die Zukunft fitgemacht werden? Voraussetzung hierfür ist die Ermittlung der zukünftigen Krankheitslast möglichst unter Einbezug demografischer Verschiebungen und sozialstruktureller Einflüsse. Methode: Am Beispiel der ärztlichen Versorgung in der Stadt Bremen entwickeln wir zwei Modelle zur Abbildung kleinräumiger Morbiditätsverteilung und projizieren diese bis in das Jahr 2030. In Modell 1 wird zur Ermittlung der Krankheitslast an Diabetes mellitus die regionalspezifische Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes mit für die Bundesrepublik Deutschland gewichteten, alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenzen aus Daten der BARMER-GEK verbunden (Status quo-Projektion). In Modell 2 erfolgt die Projektion der Morbidität unter Berücksichtigung sozialstruktureller Faktoren. Ergebnisse: Es bestehen kleinräumige Unterschiede in der Morbiditätsentwicklung. So zeigt beispielsweise der Ortsteil Farge in der Status quo-Projektion eine rel. Veränderung der Krankheitslast gegenüber 2009 um 4,6%, während der Ortsteil Arsten eine Veränderung um 41,5% aufweist. Die Unterschiede zwischen Status quo-Projektion und Modell 2 sind zum Teil beachtlich: So zeigt Modell 2 für Oberneuland eine Steigerung der Morbidität um 10,7%, die Status quo-Projektion dagegen eine um 21,2%. Diskussion: Für eine zukunftsorientierte Bedarfsplanung sollte die Krankheitslast der Bevölkerung in Konzepte einbezogen werden. Die kleinräumige Betrachtung der Morbiditätslast ist dabei von hoher Bedeutung, da sich diese ungleichmäßig im Stadtgebiet verteilt. Durch sozialstrukturelle Faktoren kann die Status quo-Projektion verfeinert werden. Sie bietet so eine bessere Grundlage für eine Bedarfsplanung, die sich an zukünftige Verschiebungen der Morbidität anpasst.

Literatur: Gemeinsamer Bundessausschuss (2010): Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger2007 S. 3 491, zuletzt geändert am 15. Juli 2010 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010 S. 3954, in Kraft getreten am 27. November 2010. Berlin: Gemeinsamer Bundesausschuss.

Gesundheitsministerkonferenz (2010): 83. Gesundheitsministerkonferenz 2010. Umlaufbeschluss 12/2010. Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder in der medizinischen Versorgung. URL: http://www.gmkonline.de/_beschluesse/83-GMK_Beschluss_Okt2010_Gestaltungsmoeglichkeiten-Anlage.pdf (aktuell am 24.11.2011).

Helmert, U.; Shea, S. (1994): Social Inequalities and Health Status in Western Germany. In: Public Health (1994), 108, 341-356.

Krämer, W. (1992): Bedarf, Nachfrage und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. In: Andersen, H.H.; Henke, K.-D.; Graf v.d. Schulenburg, J.-M. (Hrsg.) (1992): Basiswissen Gesundheitsökonomie. Band 1: Einführende Texte. Berlin: Ed. Sigma, S.63-82.

Nowossadeck, E. (2010): Morbiditätsprognosen auf Basis von Bevölkerungsprognosen. Welchen Beitrag kann ein Gesundheitsmonitoring leisten? In: Bundesgesundheitsblatt, 53, S.427-434.

Nüsken, J.; Busse, R. (2011): Ansatzpunkte und Kriterien der Bedarfsplanung in anderen Gesundheitssystemen. Berlin: TU Berlin

Roberfroid, D.; C. Leonard,C.; Stordeur, S. (2009): Physician supply forecast: better than peering in a crystal ball? In: Hum Resour Health, 7, S.10.