Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A215
DOI: 10.1055/s-0032-1323378

Berufliche Orientierung als neues Versorgungsmodell in der Medizinischen Rehabilitation – Konzept und Ergebnisse zur Einführung zweier neuer Interventionsstrategien

A Menzel-Begemann 1
  • 1Universität Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: Beruflich tätig zu sein, ist für viele ein wesentlicher Lebensinhalt. Daher spielt auch die berufliche Reintegration nach einer Erkrankung eine wichtige Rolle (u.a. 1a/b). Nach erworbenen Hirnschädigungen stehen Betroffene oftmals vor sehr großen Herausforderungen, wenn sie in den Berufsalltag zurückkehren (2). Dies gilt v.a. für leichter betroffene Patient(inn)en, bei denen Einschränkungen zunächst weniger relevant erscheinen. Sie verlassen die Reha häufig mit der Erwartung, geradewegs an die alte Leistungsfähigkeit anknüpfen zu können (3). Aber auch sie treffen im Alltag i. d. R. auf Schwierigkeiten (4). Auf diese Schwierigkeiten vorzubereiten und damit die Bewältigung dauerhafter Erkrankungsfolgen zu fördern, ist das wesentliche Anliegen der neuen Behandlungskonzepte (5).

Methode/Fragestellung: Durch die konkrete Orientierung an Arbeitsinhalten stellen die Konzepte einen stärkeren Bezug zwischen den therapiebedürftigen Funktionen und ihrer Relevanz für das Erwerbsleben her. Zudem werden die Betroffenen durch die Kombination edukativer, reflexiver und praktischer Behandlungselemente in der Krankheitseinsicht, Krankheitsverarbeitung und beim Erwerb von Kompetenzen zur Bewältigung arbeitsrelevanter Krankheitsfolgen unterstützt. Die Evaluation beider Konzepte erfolgt(e) im Rahmen randomisierter kontrollierter Studien in je zwei Einrichtungen mit jeweils 300 Patient(inn)en vor dem Hintergrund einer anvisierten Steigerung der beruflichen Wiedereingliederungsrate.

Ergebnisse/Schlussfolgerung: Aus den Ergebnissen der bereits abgeschlossenen RCT-Begleitstudie geht hervor, dass das Konzept sowohl für die ‚harten‘ Outcome-Parameter zur beruflichen Wiedereingliederung als auch für ‚weiche‘, patientenbezogene Kriterien günstigere Werte im Vergleich zur Standard-Behandlung erreicht. Und auch die ersten Analysen des noch laufenden Evaluationsprojektes lassen einen Nutzen beruflich orientierter Maßnahmen im Rahmen der medizinischen (Neuro-)Rehabilitation erkennen.

Literatur: (1a) Bethge, M.; Herbold, D.; Trowitzsch, L.; Jacobi, C. (2010). Berufliche Wiedereingliederung nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation: Eine clusterrandomisierte Studie. Die Rehabilitation, 49 (1). 2-12.

(1b) Kaiser, U. (2010). Berufsbezogene Erwartungen an eine pneumologische Rehabilitations-maßnahme. Vortrag im Rahmen des 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums in Leipzig vom 08.-10.03.2010.

http://forschung.deutsche-rentenversiche-rung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=Kaiser-S2-Di-1620-03.pdf, letzter Abruf: 27.05.2011.

(2) Fries, W.; Schwenk-Eschenlohr, K. (2007). Zurück ins Erwerbsleben: Strategien für die berufliche Wiedereingliederung. In: Fries, W.; Lössl, H.; Wagenhäuser, S. (Hrsg.), Teilhaben! Neue Konzepte der NeuroRehabilitation – für eine erfolgreiche Rückkehr in Alltag und Beruf. Stuttgart: Thieme. 144-156.

(3) Schupp, W.; Kulke, H. (2009). Klinik berufsbezogener Gesundheitsstörungen – Neurologie. In: Hillert, A.; Müller-Fahrnow, W.; Radoschewski, F. M. (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation – Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 301-315.

(4) Göttert, R., Schneider, U., Goldenberg, G. (2002). Überforderung in Alltagssituationen bei minimalen Funktionsdefiziten. In: Goldenberg, G., Pössl, J.; Ziegler, W. (Hrsg.): Neuropsychologie im Alltag. Stuttgart: Thieme. 131-148.

(5) Menzel-Begemann, A. (2012). Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neurorehabilitation. Problemstellung, Intervention, Ergebnisse. Weinheim: Beltz Juventa.