Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A194
DOI: 10.1055/s-0032-1323357

Inanspruchnahme und Kosten von Patienten mit Alzheimer-Demenz drei Jahre vor und ein Jahr nach Diagnosedokumentation im Vergleich zu einer Kontrollgruppe – Eine Untersuchung auf Basis der Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen

V Lappe 1, P Ihle 1, I Schubert 1
  • 1PMV forschungsgruppe, Universität zu Köln, Köln

Kontext: Demenzerkrankungen sind von hoher gesellschaftlicher Relevanz, da in Deutschland infolge zunehmender Überalterung bis 2050 mit etwa 2,5 Millionen Betroffenen gerechnet wird. Die Krankheitslast für die Betroffenen und ihr Umfeld sowie die Kosten für das Gesundheitssystem sind hoch. Es liegen bisher nur wenige Informationen über Inanspruchnahme und Kostenentwicklung vor und nach Diagnosestellung vor.

Methode: Datenbasis: Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen. Studienpopulation: Alter 50+ Jahre; durchgängige Versicherung 12 Quartale (Q) vor und 8 nach Diagnose bzw. Versterben ab Diagnose; intern validierte, inzidente Alzheimerdiagnose in 2007 (ICD 10: F00, G30; ohne Demenz in den 3 Vorjahren: ICD F00-F03, F05.1, G30 o. Antidementiva-Verordnung (ATC: N06DA, N06DX01)); n=321. Kontrollen: 1: 1 Matching nach Geschlecht, Alter, Charlson Score (11./12. Q vor Diagnose), Quartal Tod. Beobachtungszeit: 12 Q à 91 Tage vor und 4 Q ab Alzheimerdiagnose.

Ergebnisse: Alter MW 80,7 Jahre, Frauen 65%. 36% mit Antidementiva innerhalb eines Jahres ab Diagnose. Ca. 3-fach erhöhte Morbidität im Inzidenz-Q gegenüber Kontrollen (K) bei psychischen Erkrankungen (F-Diagnosen ohne Demenz), Inkontinenz (R32, N31.0, N39.3/.4) und Verletzungen/Vergiftungen (S00-T78). Anteil mit ambulanter/stationärer Pflege im Inzidenz-Q: Fälle 56%, K 26%. Mittlere Pro-Kopf-Kostendifferenz (Exzess) zwischen Fällen und Kontrollen im 3. Jahr vor Diagnose 940 Euro (95%-KI: –165 bis 2.045) und im 1. Jahr ab Diagnose 10.714 Euro (95%-KI: 8.699–12.730) (nur Überlebende Inzidenz- und 8 Folge-Q n=199).

Diskussion: Die Studie zeigt, dass Morbidität und Inanspruchnahme ab Dokumentation der Alzheimerdiagnose im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich erhöht sind, wobei bereits im Vorfeld ein Anstieg zu beobachten ist. Entsprechend sind bereits im 3. Jahr vor Diagnosestellung Exzesskosten von knapp 1000 Euro zu beobachten, im Jahr der Diagnose liegt die Kostendifferenz jedoch elfmal höher.