Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A177
DOI: 10.1055/s-0032-1323340

Können Informationen aus Internetforen die versorgungsnahe Evaluation komplexer Interventionen unterstützen? – Eine Analyse am Beispiel der Disease Management Programme

J Köberlein 1, K Czarnecki 1, J Müller 1
  • 1Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health, Wuppertal

Hintergrund: Im direkten Gespräch können moralische, gesellschaftliche und persönliche Interessen den Patienten daran hindern, Meinungen tatsächlich zu äußern. Die Inhaltsanalyse von Internetforen basiert auf einer passiven Erhebung und könnte die durch quantitative Methoden erlangten Ergebnisse ergänzen. Ziel des Projektes war es daher, am Beispiel der DMPs zu erörtern, welche Erkenntnisse zum Versorgungsalltag aus Internetforen gewonnen werden können und in wie weit Limitationen ihre Verwendung für die Versorgungsforschung einschränken. Methoden: In einem ersten Teilprojekt wurden in einer systematischen Recherche zunächst Internetforen identifiziert, die enthaltenen Beiträge in eine Export-Datei übertragen sowie kategorisiert und einer Inhaltsanalyse unterzogen. Die zeitliche Struktur der Foreneinträge ermöglichte den Abgleich mit den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen. Ergebnisse: Die Auswertung zeigte, dass sich die Mehrzahl der Forenmitglieder unzureichend über die Programminhalte informiert fühlte und Nichtteilnehmer eine unangemessene Versorgung befürchteten. Der wahrgenommene Nutzen der DMPs wurde von den Forenmitgliedern heterogen beschrieben. Während DMP-Teilnehmer in einigen Beiträgen keine Verbesserung ihrer Versorgung beschrieben, schilderten andere Mitglieder die Verbesserung ihrer Selbstmanagementkompetenz. Schlussfolgerung: Bei der Inhaltsanalyse von Internetforen handelt es sich um ein nicht-reaktives Verfahren. Die Kommunikationsinhalte verfügen aufgrund dessen über eine hohe Authentizität und können zeitnah erhoben werden. Ihre Verwendung im Rahmen der Evaluation weist aufgrund einer eingeschränkten Generalisierbarkeit jedoch Limitationen auf. Ebenso liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Forenbeiträgen um Extrempositionen der Diskutanten handelt. Die Validität der Ergebnisse soll daher in einem zweiten Projektschritt mittels einer anonymen Befragung registrierter Forenmitglieder sowie in Patienteninterviews überprüft werden.