Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A165
DOI: 10.1055/s-0032-1323328

Verordnungspraxis von Antidepressiva bei älteren und jüngeren Patienten – Eine Routinedatenauswertung

D Kästner 1, J Moock 1, R Müller 2, D Büchtemann 1, K Kleine-Budde 1, W Rössler 3
  • 1Leuphana Universität Lüneburg, Innovations-Inkubator, KT Vernetzte Versorgung, Lüneburg
  • 2Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg
  • 3Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie, Universität Zürich, Zürich, Schweiz

Einleitung: Bezüglich der Psychopharmakotherapie mit Antidepressiva ist bekannt, dass Behandlungsraten bei älteren Menschen höher liegen als bei Jüngeren (Grobe et al., 2006). Wenige Informationen gibt es jedoch über die Verordnungspraxis von Wirkstoffklassen oder einzelnen Wirkstoffen in Abhängigkeit vom Alter. Dabei werden einige Medikamente aufgrund ihres eher ungünstigen Nebenwirkungsprofils für ältere Menschen als potentiell inadäquat angesehen (Amann et al., 2012). Fragestellung: Gibt es Unterschiede in der Verordnungspraxis von Antidepressiva bei älteren und jüngeren Personen? Methodik: Die Studienpopulation umfasst erwachsene Personen, die im Jahr 2009 bei einer größeren deutschen Krankenkasse durchgängig versichert waren und eine gesicherte ambulante und/oder stationäre Depressions-Diagnose (ICD-Code F32 oder F33) erhalten haben (N=228.108). Für Ältere potentiell inadäquate Wirkstoffe wurden anhand der PRISCUS-Liste und des 6-stelligen ATC-Codes ausgewählt. Die Auswertungen erfolgten deskriptiv sowie unter Verwendung des Chi-Quadrat-Tests bei Dichotomisierung des Alters in a) unter–65-Jährige und b) gleich bzw. über 65-Jährige. Ergebnisse50,3% der Studienpopulation waren 65 Jahre oder älter (M=61,9, SD=18,1). Insgesamt wurden 401.247 Antidepressivum-Verordnungen abgerechnet, wobei 47,1% der Untersuchungspopulation (N=107.558) mindestens ein Rezept erhielt. Die am häufigsten verordneten Wirkstoffe der PRISCUS-Liste waren Amitriptylin (7,8%), Trimipramin (7,1%) und Doxepin (6,6%). Sowohl Amitriptylin als auch Trimipramin wurden häufiger älteren Personen als jüngeren Personen verschrieben (χ2=290,9; p<0,001 bzw. χ2=127,2; p<0,001). Diskussion: Zu beachten ist, dass es sich bei den untersuchten Wirkstoffen zwar um risikobehaftete, jedoch nicht absolut kontraindizierte Medikation für ältere Menschen handelt. In weiteren multivariaten Analysen werden Faktoren wie verschreibende Arztgruppe oder Komorbiditäten berücksichtigt.

Literatur: Amann, U., Schmedt, N. und Garbe, E. (2012). Ärztliche Verordnungen von potentiell inadäquater Medikation bei Älteren. Deutsches Ärzteblatt, 109(5), 69-74.

Grobe, T.G., Bramesfeld, A. und Schwartz, F.-W. (2006). Versorgungsgeschehen. In: Stoppe, G., Bramesfeld, A., und Schwartz; F.-W. (Hrsg.). Volkskrankheit Depression? Bestandsaufnahme und Perspektiven. Springer: Berlin, Heidelberg, S. 39-98.