Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A132
DOI: 10.1055/s-0032-1323295

Analyse der Verschreibungen potenziell inadäquater Medikationen – wer bekommt sie und warum?

F Henschel 1, M Siegel 1, S Stock 1
  • 1Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE), Uniklinik Köln, Köln

Hintergrund:

Die 2010 veröffentlichte Priscus Liste ist eine für den deutschen Gesundheitsmarkt adaptierte Liste zur Vermeidung von potenziell inadäquaten Medikamenten (PIM), die im Verdacht stehen, bei Menschen ab 65 Jahren vermehrt zu unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE) zu führen. Wir analysieren Verordnungen von PIM anhand von Routinedaten und beschreiben mittels eines multivariaten Regressionsmodells die Einflüsse unterschiedlicher Patientencharakteristika auf das patientenspezifische Risiko.

Methode:

Grundlage dieser retrospektiven Beobachtungsstudie sind Daten von allen über 65-jährigen Versicherten einer großen gesetzlichen Krankenkasse aus den Jahren 2009 und 2010 (N=614.058). Wir berechnen Prävalenz und Inzidenz von PIM-Verordnungen für das Jahr 2010 für einzelne Wirkstoffklassen und Indikationsgruppen. Die Inzidenz wird als Erstverschreibung in 2010 ermittelt, wobei das letzte Quartal 2009 als Wash-Out-Phase verwendet wird. Das patientenspezifische Risiko einer PIM-Verordnung wird anhand von logistischen Regressionen modelliert.

Ergebnisse:

2010 bekamen ca. 27,6% der über 65-jährigen Versicherten mindestens ein Medikament der Priscus-Liste, wobei das Risiko mit dem Alter stieg. Besonders auffällig ist, dass von den 2010 verordneten Substanzen 67,5% der Muskelrelaxanzien, 66,1% der Sedativa und 40,4% der Antidementia auf der Priscus-Liste stehen. Erste Auswertungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für PIM auch mit der Komorbidität der Patienten korreliert.

Schlussfolgerung:

In Deutschland werden häufig Wirkstoffe der Priscus-Liste verordnet. Ein bewusster Umgang mit solchen Wirkstoffen und ihren potenziellen Nebenwirkungen sollte gefördert werden. Die Priscus-Liste sollte darüber hinaus durch weitere Studien zu den tatsächlichen Kausalzusammenhängen zwischen PIM und möglichen UAE (beispielsweise Stürze bei Sedativa) validiert werden.