Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A53
DOI: 10.1055/s-0032-1323216

Antibiotikaanwendung bei Kindern: Einfluss des Wissens, Verhaltens und der Einstellung der Eltern – Eine Studie von ZeS und der Bertelsmann Stiftung

S Dicheva 1, G Glaeske 1, K Tholen 1
  • 1Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen

Antibiotika (AB) werden vor allem bei Kindern zu häufig verordnet. Anhand eines Fragebogens wird untersucht, ob einerseits das Wissen der Eltern über AB, deren Verhalten und Einstellung zu AB-Therapie und andererseits bestimmte Eigenschaften der Kinder die Verordnung (VO) von AB beeinflusst. Desweiteren wurden die Erwartungen der Eltern in Bezug auf AB-Behandlung analysiert. Die Befragungspopulation bestand aus 4.114 Eltern mit Kindern unter 12 Jahre, die bei der BARMER GEK versichert sind. Die Response lag bei 34,2%. 88,1% der Befragten waren weiblich, 33,5% gaben an, eine Tätigkeit im Gesundheitssektor auszuüben/ausgeübt zu haben. 35,4% der Kinder hatten in den vorausgegangenen 12 Monaten mindestens einmal AB bekommen. 73% wissen, dass AB gegen Bakterien, aber nicht gegen Viren helfen. Dabei ist der Wissensstand bei Eltern, deren Kinder AB bekommen haben, besser. Nur für 42,1% der Eltern ist eine zunächst nur analgetische Behandlung bei Otitis media ausreichend. 6,7% haben sich schon mal AB auf Reserve für den Urlaub / Wochenende verordnen lassen, 14,6% davon haben es dann auch ohne Rücksprache mit einem Arzt verabreicht. 3,4% haben schon mal auf eine VO für ihr Kind bestanden, 16,7% haben dem Kind verordnete AB bewusst nicht verabreicht. 35,6% halten eine AB-Gabe bei Erkältung für sinnvoll, 5,1% denken, dass AB abgesetzt werden können, wenn die Beschwerden sich gebessert haben. 18,2% erwarten eine AB-Therapie bei Grippe, 71,9% bei Mittelohrentzündung. Kinder im Alter zw. 3 und 5 bekommen am ehesten AB. Die Wahrscheinlichkeit für eine AB-Behandlung der Kinder ist höher, wenn die Eltern nicht im Gesudnheitssektor tätig sind, schon mal auf eine AB-VO bestanden haben, eine VO bei Otitis media und Grippe erwarten und mit der Beratung des Arztes nicht zufrieden sind. Es besteht Aufklärungsbedarf der Bevölkerung, aber auch Ärzte sind aufgerufen, die Erwartungen der Patienten kritischer zu hinterfragen. Es muss ein Umdenken im Umgang mit AB erfolgen.

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