Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A48
DOI: 10.1055/s-0032-1323211

Qualitätsanalysen zur Optimierung der Versorgungsqualität Frühgeborener: Erkenntnisse und Wissenstransfer aus der Versorgungspraxis des niedersächsischen Nachuntersuchungsprojekts

G Damm 1, P Wenzlaff 1, K Harms 2, W Voss 3
  • 1Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen, Hannover
  • 2Kinderzentrum des Klinikums Hildesheim, Hildesheim
  • 3Sozialpädiatrisches Zentrum, Auf der Bult - Zentrum für Kinder und Jugendliche, Hannover

Einleitung: Mit einer flächendeckenden prospektiven Langzeituntersuchung wird die Versorgungssituation extrem unreifer Frühgeborener (FG) in Niedersachsen (NDS) untersucht und Aussagen über die Entwicklung der FG getroffen, die als Basis für eine Optimierung der Versorgungsqualität dieser Risikogruppe bis zum Schulalter genutzt werden. Methoden: Alle seit 2004 in NDS geborenen FG (<28 SSW) werden zu definierten Entwicklungszeitpunkten (6 Monate, 2–5–10 Jahre) nach einem standardisierten Untersuchungskonzept mithilfe etablierter Entwicklungstests nachuntersucht. Die Daten der 5-Jahres-Untersuchung (5-J-Unt) werden mit Daten reifgeborener Vergleichskinder, die nach einem Matching-Verfahren in nds. Kindergärten ausgewählt und nach einem analogen Konzept untersucht wurden, verglichen. Ergebnisse: Zwischen der 5-J-Unt der FG (n=224) und der Unt. der Reifgeborenen (RG) (n=286) zeigen sich erwartete signifikante Unterschiede bei den Entwicklungsparametern, z.B. 44% sprachauffällige FG im Vergleich zu 20% der RG. Es zeigen sich sign. Unterschiede im internalisierenden (23% auffällige FG, 14% auffällige RG), jedoch nicht im externalisierenden Verhalten. Bei FG ist ein hoher Umfang an Therapie- und Fördermaßnahmen feststellbar (92% erhalten/erhielten Therapien im Vergleich zu 24% der RG). Schlussfolgerung: Mithilfe des standardisierten Untersuchungskonzepts gelingt es unter Verwendung von Werkzeugen der Versorgungsforschung, fundiertes Wissen zum Gesundheitsstatus des gesundheitsökonomisch relevanten Kollektivs zu generieren. Die Nutzung eines Vergleichskollektivs erlaubt eine optimierte Interpretation der Ergebnisse. Durch das Erkennen von Verbesserungspotentialen in der Versorgungspraxis können gezielt Optimierungsmaßnahmen abgeleitet und strukturierte Versorgungskonzepte erarbeitet werden. Diese Arbeitsweise bietet die Möglichkeit der zielgerichteten Rückkopplung der unter Alltagsbedingungen gesammelten Erkenntnisse in Richtung Versorgungsforschung (Wissenstransfer).

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