Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A40
DOI: 10.1055/s-0032-1323203

Entwicklung und Testung eines generischen Assessments zur Erfassung biopsychosozialer Beeinträchtigungen von Antragstellern auf medizinische Rehabilitation

M Brünger 1, C Schmidt 1, M Streibelt 2, U Egner 2, K Spyra 1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Berlin
  • 2Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Die Weichenstellung für eine optimale Therapie von Rehabilitanden erfolgt bereits bei Auswahl einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es daher, ein indikationsübergreifendes Assessment zu entwickeln und zu testen, welches im Antragsverfahren auf medizinische Rehabilitation biopsychosoziale Beeinträchtigungen erfassen kann. Auf Grundlage der ICF-Klassifikation wurden die zu erfassenden Konstrukte festgelegt. Nach einer umfassenden Literaturrecherche wurden die identifizierten Instrumente mithilfe vorab festgelegter Kriterien bewertet und ausgewählt. Das hieraus entwickelte Assessment wurde auf Basis einer repräsentativen Bewilligtenstichprobe der Deutschen Rentenversicherung Bund an insgesamt 7.800 Rehabilitanden verschickt. Das geschichtet nach den 9häufigsten Diagnosegrundgruppen eingesetzte Assessment enthält folgende Instrumente: PDI, SCQ-D, Skalen/Dimensionen des IRES 3.1 Funktionsfähigkeit im Alltag, Gesundheitsverhalten und Soziale Unterstützung, PHQ–4, SWE, SPE, WAI und 2 Items des SIMBO, insgesamt umfasst es je nach Filterung 74–100 Items. Die Rücklaufquote betrug 37,3% (n=2.898), Teilnehmer waren im Mittel 50,2 Jahre alt und zu 68,0% Frauen. Der Missing-Anteil lag auf Skalenebene bei höchstens 1,1% (außer PHQ–4: 4,0%), Boden- und Deckeneffekte traten zu maximal 6,9% bzw. 12,9% auf. Die interne Konsistenz lag mit Cronbachs α>0,8 im guten Bereich (außer SPE: α=0,639). Eine explorative Faktorenanalyse identifizierte eine dreifaktorielle Struktur gemäß dem biopsychosozialen Modell. Stratifizierte Analysen nach Geschlecht und Diagnosegrundgruppen zeigten vergleichbare Ergebnisse. Es wurde ein generisches Assessment entwickelt und auf Basis einer Bewilligtenstichprobe eingesetzt. In einem weiteren Schritt wird das Assessments zu einem Screening verkürzt und in der Praxis getestet. Durch den Einsatz eines Screenings kann perspektivisch eine passgenauere Zugangssteuerung von Rehabilitanden erreicht werden.

Literatur: Gerdes, N., Weis, J. (2000). Zur Theorie der Rehabilitation. In: Bengel, J., Koch, U. (Hrsg.): Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. Themen, Strategien und Methoden der Rehabilitationsforschung. Berlin: Springer. 41-68.

Schreiber, B., Bandemer-Greulich, U., Uhlemann, K., Müller, K., Müller-Pfeil, J., Kreutzfeld, A., Fikentscher, E. & Bahrke, U. (2004). Behandlungsspezifik beim chronischen Rückenschmerz: Ist die optimierte Rehabilitationszuweisung ausreichend? Die Rehabilitation, 43. 142-151.

Spyra, K., Ammelburg, N., Köhn, S. (2010). Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK): Überblick zu den Ergebnissen aus der bisherigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 87. 63-80.

Streibelt, M. (2009). Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennung besonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Die Rehabilitation, 48. 135-144.

Vorsatz N., Brüggemann, S. (2011). Reha-Therapiestandards und medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation - Ist beides miteinander vereinbar? Eine Aufwandsanalyse der Therapieanforderungen. Die Rehabilitation, 50. 168-177.