Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A2
DOI: 10.1055/s-0032-1323165

Organisationstheoretische Überlegungen zur stagnierenden Verbreitung von betrieblicher Gesundheitsförderung

D Ahrens 1, J Goldgruber 2
  • 1Hochschule Aalen, Studiengang Gesundheitsmanagement, Aalen
  • 2Fachhochschulstudiengänge Burgenland, Kernkompetenzbereich Gesundheit, Pinkafeld, Österreich

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) verbreitete sich im deutschsprachigen Raum seit Anfang der 1990er Jahre zunächst vielversprechend. Heute ist jedoch eine Stagnation zu beobachten. Die Gründe mögen vielfältig sein. Theoretische Erklärungsansätze fehlen weitgehend.

Ein Überblick über die bislang publizierten Studien veranschaulicht die aktuelle Verbreitung von BGF in Deutschland. Organisationstheoretische Überlegungen leisten dann einen Beitrag zum besseren theoretischen Verständnis darüber, warum BGF–ein ausdrücklich positives gesundheitsbezogenes Konzept–nur schleppend akzeptiert und umgesetzt wird.

Die elf analysierten Studien [1–11] zeigen ein sehr heterogenes Bild. Der Verbreitungsgrad von BGF wird zwischen 16% und 92,8% angegeben; letztlich ist er nicht exakt zu beziffern. Einigen Studien zufolge steigt die Verbreitung mit zunehmender Unternehmensgröße an und/oder variiert branchenabhängig. Mag die Branchenabhängigkeit als Reaktion auf unterschiedliche Arbeitsbelastungen interpretierbar sein, reicht die Unternehmensgröße als alleiniger Erklärungsfaktor nicht aus, da auch nur etwa die Hälfte der Großunternehmen BGF-Maßnahmen ergreifen. Die Verknüpfung von Ansätzen der Organisationstheorie mit BGF zeigt, dass die Ursache für die stagnierende Verbreitung von BGF wohl in den Organisationen selbst begründet liegt und BGF somit in hohem Maße von der jeweiligen Unternehmenskultur abhängig ist. Wenn BGF zur Kultur einer Organisation passt, erhöhen sich ihre Realisierungschancen, wenn BGF hingegen nicht mit der vorherrschenden Kultur kompatibel ist, verringern sie sich (erheblich). [12]

Soll die Verbreitung von BGF gesteigert werden, müssen künftig die kulturellen Voraussetzungen der Organisationen in der Konzeption von BGF-Projekten berücksichtigt werden. Mit Blick auf BGF bedarf der Organisationskulturansatz jedoch zweifellos einer Weiterentwicklung in Richtung einer „gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur“.

Literatur: [1] Ansmann L, Jung J, Nitzsche A et al. Zusammenhänge zwischen der Betriebsstruktur und Betrieblichem Gesundheitsmanagement in der Informationstechnologie- und Kommunikationsbranche. Gesundheitswesen 2012; ohne Seitenzahl, DOI: 10.1055/s-0031-1271714

[2] Bechmann S, Jäckle R, Lück P, Herdegen R. IGA-Report 20. Motive und Hemmnisse für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Umfrage und Empfehlungen (2010).

[3] Beck D, Schnabel PE. Verbreitung und Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in Betrieben in Deutschland. Gesundheitswesen 2010; 72: 222-227

[4] Bödeker W, Hüsing T. IGA-Report 12. Einschätzungen der Erwerbsbevölkerung zum Stellenwert der Arbeit, zur Verbreitung und Akzeptanz von betrieblicher Prävention und zur krankheitsbedingten Beeinträchtigung der Arbeit – 2007 (2008).

[5] Gröben F, Wenninger S. Betriebliche Gesundheitsförderung im öffentlichen Dienst: Ergebnisse einer Wiederholungsbefragung von Führungskräften in Hessen und Thüringen. Präv Gesundheitsf 2006; 1: 94-98

[6] Hollederer A. Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland – Ergebnisse des IAB-Betriebspanels 2002 und 2004. Gesundheitswesen 2007; 69: 63-76

[7] Köhler T, Janßen C, Plath S et al. Determinanten der betrieblichen Gesundheitsförderung in der Versicherungsbranche: Ergebnisse einer Vollerhebung bei deutschen Versicherungen im Jahr 2006. Gesundheitswesen 2009; 71: 722-731

[8] Plath S, Köhler T, Krause H et al. Prevention, health promotion and worksite health management in German banks: Results from a nationwide representative survey. J Public Health 2008; 16: 195-203

[9] Ulmer J, Groeben F. Work place health promotion – a longitudinal study in companies placed in Hessen and Thueringen. J Public Health 2005; 13: 144-152

[10] Zelfel RC, Alles T, Weber A. Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen – Ergebnisse einer repräsentativen Unternehmensbefragung. Gesundheitswesen 2011; 73: 515-519

[11] Zok K. Stellenwert und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung aus Sicht der Arbeitnehmer. In: Badura B, Schröder H, Vetter C, Hrsg. Fehlzeiten-Report 2008: Betriebliches Gesundheitsmanagement: Kosten und Nutzen. Heidelberg: Springer; 2009: 85-100

[12] Goldgruber J. Organisationsvielfalt und betriebliche Gesundheitsförderung: Eine explorative Untersuchung. Wiesbaden: Gabler; 2012