Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13 - SE_13
DOI: 10.1055/s-0032-1323146

Einstellungen zur Sterbehilfe bei unheilbar erkrankten Patienten – Eine prospektive multizentrische Untersuchung auf sächsischen Palliativstationen (Einstellungen zur Sterbehilfe bei Patienten mit inkurablem Leiden – ESPIL)

M Thieme 1
  • 1Klinikum St. Georg gGmbH, KAIS, Leipzig, Germany

Der öffentliche Diskurs um Euthanasie hat in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft eine neue Dimension erreicht. Neben der medialen Debatte melden sich verschiedene gesellschaftliche Akteure zu Wort. Eine Vielzahl von plebiszitären Meinungsumfragen zeichnet das Bild einer mehrheitlichen Befürwortung von aktiver Sterbehilfe in der Bevölkerung. Im Kontrast dazu existieren bislang kaum Daten zu den Einstellungen unter den eigentlich Betroffenen der Diskussion – zu den Haltungen unheilbar kranker Menschen zu Fragen der Euthanasie und ihrer Legitimität. Die vorliegende Arbeit fokussiert genau hierauf und möchte damit einen Beitrag zum Abbau dieses Defizits leisten. In einer oligozentrischen Studie wurden 100 stationäre Patienten mit fortgeschrittenem inkurablen Leiden auf Palliativstationen an sechs Kliniken in Sachsen zu ihren Einstellungen zu den verschiedenen Formen der Sterbehilfe befragt. Die Befragung wurde durch Ärzte und Psychologen in Form eines strukturierten Interviews durchgeführt. Dabei wurden zunächst demografische und krankheitsbezogene Daten erhoben, um die Ergebnisse in diversen Subgruppenanalysen weiter stratifizieren zu können. Das ESPIL-Interview erfasst die Zustimmung zu jeder einzelnen Form von Sterbehilfe im Allgemeinen sowie als potenzielle Option für die eigene Person. Weiterhin wurde die Modifikation dieser Haltungen durch eigene schwere Erkrankung untersucht. Eine zentrale Frage hierbei war, inwieweit das Erleben von Palliative Care den Wunsch nach Euthanasie in den Hintergrund treten lässt oder gar substituieren kann. Darüber hinaus werden elementare Voraussetzungen und Triggerfaktoren des Verlangens nach Sterbehilfe analysiert, die Rolle der ärztlichen Profession in diesem Kontext hinterfragt und die Antworten zusätzlich unter dem Aspekt von Depressivität, Akzeptanz der Erkrankung und subjektiver Lebenszufriedenheit untersucht. Die Zustimmung zu diversen lebenserhaltenden Therapien in der palliativen Situation wird quantifiziert.