Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13 - MG_16
DOI: 10.1055/s-0032-1323083

Psychosoziale Probleme und Bedürfnisse von Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) und deren Angehörigen

P Keidel 1, GD Borasio 2, J Anneser 1
  • 1Palliativmedizinischer Dienst, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar, TU, München, Germany
  • 2Lehrstuhl für Palliativmedizin, CHUV, Universität, Lausanne, Switzerland

Fragestellung: Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) weist eine Inzidenz von ca. 3–4/100.000 auf. Sie führt zu fortschreitenden Lähmungen und häufig zum Verlust der Sprech- und Schluckfähigkeit. Die Patienten versterben nach durchschnittlich 3–4 Jahren an Ateminsuffizienz. Die Schwere der Behinderungen und die unaufhaltsame Progredienz stellt eine extreme Belastung für Patienten und Angehörige dar. Unsere Befragung hat zum Ziel, ein detailliertes Bild der psychosozialen Belastungen zu gewinnen und einen Bedarf an palliativmedizinischer Mitbetreuung zu erfassen.

Methodik: Zunächst wurden ausführliche Interviews mit sieben Patienten und einem jeweiligen Angehörigen geführt. Hieraus wurden ein halb-offener Fragebogen mit vorwiegend numerischen Skalen erarbeitet, der an 229 Patienten mit ALS und deren Angehörige versandt wurde.

Ergebnis: Die Rücklaufquote betrug 85%, 29 Patienten waren bereits verstorben, 165 Fragebögen konnten ausgewertet werden. Die Faktoren psychosozialer Belastung wurden individuell sehr unterschiedlich eingeschätzt. Die gegenwärtige Lebensqualität wurde von Patienten (Mittelwert±Standardabweichung) mit 3,5±2,6 (vor Erkrankung 7,9±2,8) angegeben. Die pflegenden Angehörigen beurteilten ihre eigene Lebensqualität noch niedriger (3,3±2,7, vorher 6,4±3,7). Die Mehrzahl der Patienten sorgt sich, dass pflegende Angehörige zu wenig Zeit für sich selbst haben könnten (6,6±3,5). Dies ist häufig mit Schuldgefühlen verbunden (6,4±3,6). 84% der Patienten und Angehörigen haben Interesse an palliativmedizinischen Angeboten, besonders im ambulanten Bereich.

Schlussfolgerung: Konkrete psychosoziale Belastungen werden von ALS-Patienten sehr unterschiedlich bewertet. Bei der Begleitung der Patienten sollte auch deren Sorge um den pflegenden Angehörigen und häufig damit verbundene Schuldgefühle thematisiert werden.

Die Mehrzahl der Befragten würde – bei einem entsprechenden Angebot – palliativmedizinische Unterstützung in Anspruch nehmen.