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DOI: 10.1055/s-0032-1323070
Schmerzerleben von Menschen mit einer geistigen Behinderung aus ihrer eigenen Sicht und aus der Wahrnehmung Dritter. Eine Ist-Analyse anhand einer Querschnittstudie in einer Einrichtung in Bayern
17 Prozent der Deutschen leiden unter chronischen Schmerzen. Es ist somit davon auszugehen, dass jeder fünfte Mensch mit einer geistigen Behinderung ebenfalls wiederholt Schmerzen empfindet. Diese These wird durch Faktoren wie zunehmendes Alter, angeborene Deformationen, Operationen im Säuglingsalter und defizitäres Schmerzmanagement verstärkt. Dem gegenüber stehen die Beobachtungen einer geringen bis fehlenden Schmerzäußerung nach einem Schmerzreiz. Auffälliges Verhalten wird als Wunsch nach Aufmerksamkeit und Zuwendung verstanden. Mitarbeitende einer Einrichtung in Bayern interviewten mithilfe eines strukturierten Fragebogens in einfacher Sprache 52 Bewohnerinnen und Bewohner. Zusätzlich wurden 15 Beobachtungen anhand der EDAAP-Skala durchgeführt; ergänzt mit Fragen aus dem Verfahren der „Serial Trial Intervention“ nach Kovach. 50% der Probanden hatten das 60. Lebensjahr bereits erreicht. Von den Befragten gaben 41% an, Schmerzen von immer bis einmal in der Woche zu erleben. Währenddessen waren es bei den beobachteten Frauen und Männer mit einer Mehrfachbehinderung nur 7%. Als häufigster Schmerzort wurde mit 23% der Rücken erwähnt. Als hilfreichste Maßnahme bei Schmerzen nannten die Befragten „hinlegen“. Die Häufigkeit des Schmerzerlebens im oberen Rücken- und Kopfbereich machen eine Übereinstimmung mit der allgemeinen deutschen Bevölkerung deutlich. Die genannten hilfreichen Maßnahmen bestätigen einen tatsächlichen Schmerz. Fraglich ist das Ergebnis in der Beobachtung: So wurde aufgeführtes Verhalten in der Skala zwar bei der beobachteten Person erkannt, aber nicht mit Schmerz gleichgesetzt – und daher nicht markiert. Ferner waren viele Bögen lückenhaft oder nicht nachvollziehbar. Neben der Forschung im Bereich der Schmerzwahrnehmung von Menschen mit einer mehrfachen Behinderung benötigt es eine Weiterbildung der Mitarbeitenden im Bereich des Schmerzassessments und eine Personalpolitik, welche Zeit zur Wahrnehmung von Schmerzen durch Dritte ermöglicht.