Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13 - FV23
DOI: 10.1055/s-0032-1322979

Sterben Erkennen in der häuslichen Palliativversorgung – ein anspruchsvoller Prozess für Angehörige, Betroffene und Professionelle

S Pleschberger 1, C Wenzel 1, D Lindner 1
  • 1Universität Klagenfurt, IFF Wien, Palliative Care und OrganisationsEthik, Wien, Austria

Fragestellung: Um Sterben zuhause ermöglichen und gestalten zu können ist dessen rechtzeitiges Erkennen erforderlich. In der Praxis wird die ‚Diagnose Sterben' häufig sehr spät gestellt, auch ist die Kommunikation gegenüber Betroffenen bzw. Angehörigen oft nicht hinreichend gut. Wer Sterben wann erkennt, welche Rolle ein Anerkennen des Sterbens dafür spielt, und wie sich das Zueinander zwischen den Beteiligten in der ambulanten Palliativversorgung gestaltet, waren Kernfragen der Studie.

Methode: Nach dem Ansatz ethnografischer Forschung wurden Daten in einem ambulanten Palliative-Care Dienst mithilfe teilnehmender Beobachtung erhoben, Interviews mit Professionellen und Angehörigen und eine Dokumentenanalyse durchgeführt. Sampling und Analyse erfolgten nach Grounded Theory. Aus knapp 100 Besuchen, 44 Interviews und 350 Seiten Dokumentation wurden 15 Verläufe von onkologisch erkrankten Menschen bis zu ihrem Tod rekonstruiert.

Ergebnis: Das Erkennen des Sterbens ist in der häuslichen Palliativversorgung von den sozialen Beziehungen der beteiligten Akteure geprägt. Sterben Erkennen bringt zwangsläufig auch ein „Sterben Lassen“ mit sich, für Angehörige eine besondere Herausforderung. Ein Anerkennen des Sterbens durch die Betroffenen selbst ist dafür bedeutsam. Die gegenseitige Vergewisserung darüber muss unter den Beteiligten immer wieder aufs Neue hergestellt werden. Aus der Perspektive der Angehörigen beginnt das Sterben in der retrospektiven Nachschau deutlich früher als im Verlauf beobachtet, vielfältige Indikatoren werden dafür angeführt.

Schlussfolgerung: Beim Sterben Erkennen handelt es sich um einen komplexen Aushandlungsprozess zwischen Professionellen und betroffenen Familien. Nur in tragfähigen Beziehungen kann die damit einhergehende Unsicherheit aufgefangen werden, einher geht damit auch die Notwendigkeit einer offenen Kommunikation für ein Sterben zuhause.