Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13 - A24
DOI: 10.1055/s-0032-1322914

Mit welchen Patientengruppen müssen wir zukünftig rechnen? Menschen mit Migrationshintergrund in der Hospiz- und Palliativarbeit

D Grammatico 1
  • 1Lehr- Case Managerin (DGCC), Hilden, Germany

Die Bundesrepublik Deutschland ist schon seit langem ein Einwanderungsland mit einem hohen Maß an ethnischer Vielfalt. Dieser hohe Grad der ethnischen Vielfalt ist zum Einen mit vielen Chancen verbunden, zum Anderen aber auch durch Herausforderungen gekennzeichnet, die es zu gestalten gilt – was auch auf die Hospiz- und Palliativarbeit zutrifft.

Mit dem demographischen Wandel, der die Gruppe der älteren Menschen in Deutschland stark anwachsen lässt, ändern sich auch wesentliche Faktoren der Lebenszusammenhänge und damit auch der Situationen, in denen die Menschen sterben. Dies gilt für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen, jedoch stellt sich die Situation der MigrantInnen gesondert dar: Das Durchschnittsalter dieser Gruppe ist zwar niedriger als das der Bevölkerungsteile ohne Migrationshintergrund, aber es ist auch hier ein deutliches Ansteigen des Durchschnittsalters in den nächsten Jahren erkennbar.

In unterschiedlichen empirischen Untersuchungen wurde immer wieder deutlich, dass die Inanspruchnahme von hospizlich-palliativen Versorgungsleistungen durch die MigrantInnen nicht deren Bevölkerungsanteil entspricht. Dementsprechend gibt es hierfür unterschiedliche Erklärungen:

Zum Einen stellt sich der erschwerte Zugang von MigrantInnen zu hospizlich-palliativen Versorgungsdiensten zwar auch abhängig von religiös und kulturell bedingten Lebenszusammenhängen dar, jedoch noch stärker in Abhängigkeit von soziokulturellen Migranten-Milieus. Desweiteren ist diese eher geringe Inanspruchnahme der hospizlich-palliativen Unterstützungsleistungen auf die Hospizdienste häufig selbst zurückzuführen. Zu einem Teil sind sie in ihrer Ausrichtung und der damit verbundenen methodischen Vorgehensweise eher mittelschichtsorientiert und zum anderen Teil wird der Bedarf an hospizlich-palliativer Betreuung einem großen Teil der Migrantengruppen von vornherein „abgesprochen“. Dies wird damit begründet, dass die familialen Netzwerke bei vielen ethnischen Gruppen noch in ausreichendem Maße so funktionieren, dass Hilfe und Unterstützung von außen als nicht notwendig betrachtet wird.

Das Ziel muss es sein, den Zugang zu den vorhandenen palliativ-hospizlichen Versorgungsleistungen entsprechend des Bedarfs zu erleichtern – indem ein Prozess der Interkulturellen Öffnung aktiv gestaltet wird. Eine weitere Grundlage für eine erfolgreiche Gestaltung ist es, bei zukünftigen Entwicklungen, die kultur- und schichtenspezifischen Denk-, Deutungs- und Handlungsmuster sehr unterschiedlicher Migrantengruppen in weiteren Forschungszusammenhängen zu erkunden und aufzugreifen, um dementsprechend neue methodisch nachhaltige Konzepte entwickeln zu können.