Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13 - PL_4
DOI: 10.1055/s-0032-1322889

Spannungsfelder zwischen Leid und Leitlinien

C Ostgathe 1
  • 1University Erlangen, Palliativmedizin, Erlangen, Germany

Im Zentrum der Arbeit des multidisziplinären Palliativteams steht das Ziel die Lebensqualität der Kranken und ihrer Angehörigen zu erhalten oder zu verbessern. Patienten und die Menschen ihres Umfeldes sind getroffen durch die Diagnose und die damit verbundenen Einschränkungen, Beschwerden, unerfüllten Hoffnungen und die oft radikalen Verschiebungen von individuellen Lebensperspektiven. Dieses Leid ist vereinnahmend und kann auch als „umfassendes Leid“ bezeichnet werden. Die Palliativmedizin – aus der Hospizidee entwickelt und bis heute tief in ihr wurzelnd – will diesem umfassenden Leid mit einer auf den ganzen Menschen ausgerichteten Behandlung und Begleitung begegnen, dort wo erreichbar lindern und dort wo unerreichbar ein gemeinsames Aushalten anbieten.

In den letzten 20 Jahren hat die Notwendigkeit für eine angemessene Versorgung von Menschen mit ernsten Erkrankungen zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Palliativmedizin und damit zur Einbindung in die allgemeinen Gesundheitssysteme geführt. Dies wird neben vielen anderen Punkten in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, in der Zunahme von Versorgungsstrukturen, in Abrechnungsmöglichkeiten sowie in der Akademisierung deutlich. Hiermit verbunden ist die zunehmende Anforderung an das Fach – im Kanon mit anderen Bereichen der medizinischen Versorgung – das Be-(Handeln) auf Basis evidenzbasierter Leitlinien nachvollziehbar, transparent und überprüfbar zu gestalten. Die Entwicklung und der Einsatz von Leitlinien im Bereich der Palliativversorgung sollen somit die Behandlungsqualität von Menschen mit ernsten, lebensbedrohlichen Erkrankungen optimieren.

In einem auf individuelle Beziehung ausgerichteten Ansatz der Begleitung können sich im Zuge der auf Uniformität ausgerichteten Standardisierung von Leistungen sowie von Ziel- und Erfolgskriterien Spannungsfelder im Fach ergeben. Diese Spannungsfelder sollen beleuchtet und Entwicklungspotentiale dargestellt werden.