Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22 - A63
DOI: 10.1055/s-0032-1322863

Multizentrische, randomisierte Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit von Ganzkörpervibration als Zusatz zur medikamentösen Standardbehandlung von Osteoporose bei post-menopausalen Frauen

EJ Seidel 1, M Rother 1, I Rother 1, A Fischer 1
  • 1Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar

Hintergrund: Präklinische Studien zeigten, dass mechanische Stimuli mit hoher Frequenz und niedriger Magnitude Knochenbildung bei Ratten induzieren [Rubin et al. 2001]. Klinische Studien über Osteoporose, bei denen Ganzkörpervibration (whole body vibration – WBV) eingesetzt wurde und als Endpunkt die Knochenmineraldichte gemessen wurde, zeigten jedoch unterschiedliche Therapieeffekte. Diese waren möglicherweise bedingt durch kleine Stichprobengrößen, unterschiedliche Co-Medikation sowie Probleme der Compliance [Rubin et al. 2004, Verschueren et al. 2004, Ruan et al. 2008]. Biomarker der Knochenremodellierung (Bildung und Resorption) wurden als alternative Endpunkte vorgeschlagen. Zielsetzung: Die Wirksamkeit von Ganzkörpervibration auf Biomarker der Knochenremodellierung, Sturzrisiko und Kreuzschmerzen bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose, die entweder Raloxifen oder Alendronat als Co-Medikation einnehmen, nachzuweisen. Methodik: Für diese 12 Wochen dauernde, multizentrische, randomisierte, cross-over Studie wurden 58 postmenopausale Frauen mit Osteoporose unterteilt in solche, die mit Alendronat (n=41) und in solche, die mit Raloxifen (n=17) behandelt wurden. Anschließend wurden diese randomisiert in den ersten 6 Wochen der Studie entweder Ganzköpervibration oder keine Ganzköpervibration zu erhalten. Mit der Fitvibe® Medizin Ausstattung (Uniphy Elektromedizin GmbH & Co. KG, Germany) wurde 3 Mal pro Woche Ganzköpervibration durchgeführt, wobei mindestens 15 Sitzungen innerhalb von 6 Wochen erfolgten. Eine Sitzung bestand aus 10 Durchgängen, bei denen Vibrationen im 30 Sekunden-Intervall mit einem Plateau von 15 Sekunden bei einer Frequenz von 30Hz und einer Amplitude von 2mm angewendet wurden. 6 Wochen nach Beginn wurden die Patienten, die zunächst für die Ganzköpervibrations-Gruppe randomisiert wurden, in einem zweiten Studienzeitraum für weitere 6 Wochen ohne Ganzköpervibration beobachtet. Auf der anderen Seite wurden solche, die im ersten Zeitraum keine Ganzköpervibration erhielten, für die verbleibenden 6 Wochen mit Ganzköpervibration behandelt. Behandlungseffekte wurden für die Wochen 3, 6, 9 und 12 anhand der Biomarker der Knochenremodellierung (Ostase und DXPX), des Sturzrisikos (mithilfe des Tinetti Mobilitäts Tests) sowie der Kreuzschmerzen (anhand einer numerischen 11-Punkte Skala) bewertet. Für die statistische Auswertung wurde eine zwei-Perioden-crossover-Analyse/Wilcoxon Test (zweiseitiger Test für Abweichungen) für Summen, Differenzen und crossover-Differenzen angewandt. Ergebnisse: Es wurden keine signifikanten Behandlungseffekte bezüglich der Biomarker der Knochenremodellierung beobachtet (p=0,857 und 0,778). Im Gegensatz dazu waren die Effekte auf die Kreuzschmerzen (p=0,0049) sowie auf das Sturzrisiko (p=0,0023) hoch signifikant. Diese Effekte wurden für die Alendronat-Gruppe (Kreuzschmerz: p=0,0002, Sturzrisiko: p<0,0000) jedoch nicht für die Raloxifen-Patienten (Kreuzschmerz: p=0,963, Sturzrisiko: 0,457) bestätigt. Dieser Unterschied könnte auf Ausgangs-Inhomogenitäten zurückzuführen sein. Die Alendronat-Gruppe bot ausgangs im Vergleich ein höheren Schmerz und ein höheres Sturzrisiko als die Raloxifen-Gruppe. Wenn der Ausgangsschweregrad als unterscheidender Faktor benutzt würde, zeigte die Gruppe mit dem höheren Ausgangswerten für Schmerz und Sturzrisiko wesentlich ausgeprägtere Behandlungseffekte als solche mit niedrigen Werten. Schlussfolgerungen: Ganzkörpervibration über 6 Wochen hat keinen signifikanten Effekt auf Biomarker der Knochenremodellierung, kann aber Kreuzschmerzen erheblich verbessern und das Sturzrisiko reduzieren. Ganzkörpervibration scheint eine wertvolle Ergänzung zur symptomatischen Behandlung von Schmerzen und Sturzrisiko bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose zu sein.