Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22 - A40
DOI: 10.1055/s-0032-1322840

Wirkeffekte serieller „Moorbäder“ und einer physikalischen Komplextherapie bei degenerativen und entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

U Lange 1, JE Goronzy 1, M Ehnert 1, S Fetaj 1
  • 1Kerckhoff-Klinik; Universität Gießen, Bad Nauheim

Hintergrund: Wärmemaßnahmen sind aus der Therapie rheumatischer Erkrankungen nicht wegzudenken, obwohl die Wirkmechanismen nur zum Teil bekannt sind. Je nach Art und Maßnahme werden spezifische Sofortwirkungen und unspezifische Regulationsvorgänge angeregt (1). Fragestellung/Methodik: In der vorliegenden Studie wurden die Wirkeffekte einer seriellen Heiltorfapplikation (9 Moorbäderbehandlungen: 45°C, 30 Minuten, während des REHA-Aufenthaltes) auf die funktionale Gesundheit (Funktionsfragebogen Hannover – FFbH, Health Assessment Questionnaire – HAQ, Visuelle Analogskala – VAS) sowie molekulare Wirkungen (BSG, CRP; Interleukin[IL]- 1β, IL-10) bei 22 Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen (Durchschnittsalter 50 Jahre) und 21 Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (Durchschnittsalter 53 Jahre, 17 x rheumatoide Arthritis, 4 x ankylosierende Spondylitis) untersucht. In beiden Gruppen bestand eine stabile NSAR-Medikation, eine Biologika-Therapie bestand nicht, zudem erhielten alle das gleiche differenzialindikative physikalische Therapieprogramm (KG, KMT, Elektrotherapie, Ergotherapie). Die Untersuchungen erfolgten baseline und nach dem letzten seriellen Moorbad. Zudem wurden die Patienten gebeten den Stellenwert der Moorbäder im multimodalen Therapiekonzept mit einer Schulnote zu bewerten. Ergebnisse: In beiden Gruppen zeigte sich eine signifikante Besserung (p jeweils <0,001; Wilcoxon-Test) im FFbH und HAQ sowie eine signifikante Schmerzlinderung (VAS). Die Akut-Phase-Reaktanten waren zu den Messzeitpunkten normwertig und zeigten keinerlei Änderungen. In beiden Gruppen resultierte eine signifikante Abnahme des pro-inflammatorischen Zytokins IL-1ß und eine signifikante Zunahme des anti-inflammatorischen Zytokins IL-10 (p jeweils <0,001; Wilcoxon-Test). Beide Gruppen benoteten den Stellenwert der Moorbäder mit 1,6. Diskussion: Serielle Moorbäder in Kombination mit einer physikalischen Komplextherapie bewirken im multimodalen REHA-Konzept eine signifikante Verbesserung von Parametern der funktionalen und funktionellen Gesundheit sowie eine Modulation auf der Zytokinebene i.S. einer anti-inflammatorischen Veränderung (Anmerkung: bei der Zunahme von IL-10 handelt es sich um eine Erstbeschreibung). Unter der Anwendung resultierte keine Beschwerdezunahme oder Exazerbation insbesondere bei den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Von Patientenseite aus gesehen wird eine Klinik mit dem Angebot von Moorbädern bevorzugt. Literatur: Lange U. Physikalische Medizin in der Rheumatologie unter Berücksichtigung Evidenz-basierter Daten. Ligatur-Verlag, Stuttgart, 2008