Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22 - A4
DOI: 10.1055/s-0032-1322804

Berufliche Gratifikationskrisen und Arbeitsfähigkeit: Querschnitts- und Längsschnittbefunde des zweiten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen

M Bethge 1, FM Radoschewski 1, C Gutenbrunner 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung

Fragestellung: Übersichtsarbeiten haben die gesundheitlichen Konsequenzen beruflicher Gratifikationskrisen bestätigt. Umgekehrt sind Gratifikationskrisen auch als Folge eingeschränkter Arbeitsfähigkeit denkbar. Untersucht wurden daher die Effekte beruflicher Gratifikationskrisen auf die subjektiv erlebte Arbeitsfähigkeit und vice versa. Methode: Erwerbstätige Personen wurden 2009 und 2010 zu Arbeitsfähigkeit (Work Ability Index, WAI) und Gratifikationskrisen befragt. Zusammenhänge im Querschnitt wurden mit den Daten der Ersterhebung überprüft. Um im Längsschnitt neue Fälle eingeschränkter Arbeitsfähigkeit (WAI <37) vorherzusagen, wurden ausschließlich Fälle mit guter Arbeitsfähigkeit (WAI <37) bei der Ersterhebung berücksichtigt. Um neue Fälle beruflicher Gratifikationskrisen vorherzusagen, wurden ausschließlich Personen ohne Gratifikationskrisen eingeschlossen. Ergebnisse: Die Querschnittsanalysen berücksichtigten 1501 ganztags beschäftigte Personen, die Längsschnittanalysen 600 Personen mit guter Arbeitsfähigkeit bzw. 666 Personen ohne Gratifikationskrisen. Unter Kontrolle anderer Einflussgrößen hatten Gratifikationskrisen im Quer- und im Längsschnitt prognostische Bedeutung für eingeschränkte Arbeitsfähigkeit (Querschnitt: OR=2,0; 95% KI: 1,4 bis 2,7; Längsschnitt: OR=2,1; 95% KI: 1,0 bis 4,2). Umgekehrt sagte eingeschränkte Arbeitsfähigkeit auch Gratifikationskrisen voraus (Querschnitt: OR=2,0; 95% KI: 1,4 bis 2,8; Längsschnitt: OR=2,6; 95% KI: 1,3 bis 5,0). Diskussion: Die Ergebnisse zeigen den wechselseitigen Einfluss von Arbeitsfähigkeit und psychosozialer Belastung durch Gratifikationskrisen. Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit könnten die Betroffenen bei der Bewältigung beruflicher Gratifikationskrisen unterstützen oder die Ursachen unmittelbar beeinflussen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement für beeinträchtigte Personen sollte auch die mit den Einschränkungen einhergehenden psychosozialen Konsequenzen berücksichtigen.