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DOI: 10.1055/s-0032-1322123
Erfahrungen mit Alkoholkonsum von Grundschülern in Hessen – Ergebnisse der PriSeTA-Studie (Primär- und Sekundärprävention von Tabak- und Alkoholkonsum bei Kindern: eine Querschnittsstudie)
Einleitung/Hintergrund: Internationale Studien zeigen, dass ein früher Beginn von Alkoholkonsum das Risiko für Alkoholabhängigkeit bzw. alkoholbedingte Erkrankungen in Pubertät und Erwachsenenalter erhöht [1, 2, 3]. In Deutschland haben 60,9% der 12–15-Jährigen bereits Alkoholprodukte konsumiert [4]. Obwohl das Probieren von Alkohol im Kindes- und Jugendalter nicht zu einem frühen Konsumbeginn führen muss, wird auch hierfür ein erhöhtes Risiko berichtet [5]. Aus diesen Prävalenzen wird der Bedarf an effektiver Primärprävention zur Verhinderung des Einstiegs in den Risikokonsum bereits in jüngeren Altersgruppen deutlich. Da Kenntnisse über ältere Altersgruppen nicht ohne weiteres übertragbar sind, ist das Ziel der PriSeTA-Studie die Gewinnung von Erkenntnissen u.a. zu Prävalenz und Einstellungen zu Alkohol- und Nikotinkonsum sowie sozialen Risikofaktoren bei Grundschulkindern der 3. und 4. Klassen.
Daten/Methodik: An 49 zufällig ausgewählten Grundschulen (kontaktiert: n=280) im Regierungsbezirk Darmstadt (Hessen) wurde 2010/11 eine standardisierte schriftliche Querschnittsbefragung durchgeführt. Datenschutzbeauftragter, Ethikkommission, Kultusministerium, Grundschulen, Erziehungsberechtigte sowie die befragten Kinder selbst bewilligten die Studie bzw. ihre Teilnahme schriftlich. Das Erhebungsinstrument wurde speziell für die Zielgruppe entwickelt und umfasst 65 geschlossene Fragen zu Risikoverhalten, -einstellungen und -wissen zu Alkohol- und Tabakkonsum sowie zum sozialen Kontext. Bi- und multivariate Analysen zum Probierverhalten bezüglich Alkohols wurden durchgeführt. Bivariate Gruppenunterschiede wurden mittels Chi2-Test untersucht. Als Einflussfaktoren im multivariaten Modell wurden Geschlecht, Alter, Klassenstufe, Wohnhaft bei beiden Elternteilen, rein deutschsprachiger Haushalt, Alkoholkonsum der Eltern und Freunde, Aufenthaltsort den Eltern bekannt, Taschengeld, gerne in der Schule, gleiche Erziehungsmeinung der Eltern, Pausenbrot/Essen dabei einbezogen. Adjustierte Odds Ratios (aOR) und 95%- Konfidenzintervalle (95%-KI) wurden mittels binär-logistischer Regressionsanalyse (Rückwärtsselektion) kalkuliert. Fehlende Werte (<3% der Gesamtheit) wurden a-priori zur Referenzkategorie umcodiert, dies kann eine Verzerrung hin zum Nulleffekt bewirken.
Ergebnisse: Insgesamt konnten von 1806 Grundschulkindern der 3. (n=786) und 4. Klassen (n=1020) Fragebogenangaben analysiert werden. Mädchen (n=927) und Jungen (n=879) waren in etwa gleich stark vertreten. Der Altersdurchschnitt des Gesamtkollektivs lag bei 9,44±0,732 Jahren. Insgesamt hatten 37,7% aller Kinder (43,0% Jungen, 32,7% Mädchen, p<0,001) angegeben, bereits Alkohol probiert zu haben. Nach den Klassenstufen stratifiziert beträgt die Prävalenz für 3. Klassen 33,6% und für 4. Klassen 40,9% (p=0,002). Während im multivariaten Endmodell die Klassenstufe keinen signifikanten Einfluss hatte, war der Geschlechtsfaktor weiterhin relevant, ebenso unter anderem Merkmale des elterlichen Kontrollverhaltens (aOR=1,5 95%-KI: 1,1–2,1) sowie inkonsistenter Erziehungsstile (aOR=1,5 95%-KI: 1,1–1,9).
Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass Public Health-Forschung für Primär- und Sekundärprävention von Alkoholkonsum am Setting Grundschule notwendig ist: Etwa ein Drittel der durchschnittlich 9-jährigen Kinder hatte Alkohol probiert. Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung, im speziellen für Eltern von Grundschulkindern, zu potentiellen Risiken des Probierverhaltens an Alkoholprodukten bei Kindern erscheinen notwendig. Präventionsprogramme für Grundschulkinder, im Speziellen für Jungen, unter Einbeziehung des sozialen Kontextes sind anzustreben.
Literatur:
[1] DeWit, David J. Adlaf, Edward M. Offord, David R. Ogborne, Alan C. (2000): Age at First Alcohol Use: A Risk Factor for the Development of Alcohol Disorders. In: Am J Psychiatry 157, S. 745–750.
[2] Hawkins, David J. Graham, John W. Maguin, Eugene Abbott, Robert Hill, Karl G. Catalano, Richard F. (1997): Exploring the Effects of Age of Alcohol Use Initiation and Psychosocial Risk Factors on Subsequent Alcohol Misuse. In: J Stud Alcohol Drugs 58, S. 280–290.,
[3] Hingson, Ralph W. Heeren, Timothy Winter, Michael R. (2006). Age at Drinking Onset and Alcohol Dependence: Age at Onset, Duration and Severity. In: Arch Pediatr Adolesc Med 160, S. 739–746.
[4] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2009). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2008.
[5] Donovan, John E. Molina, Brooke S. G. (2011): Childhood Risk Factors for Early-Onset Drinking. In: J Stud Alcohol Drugs 72, S. 741–751.