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DOI: 10.1055/s-0032-1322095
Analyse der ambulanten Kodierqualität in Sachsen und Thüringen anhand von Routinedaten der AOK PLUS – die Verwendung des Z-Zusatzkennzeichens in der Diagnosedokumentation
Hintergrund: Mit dem 2012 in Kraft getretenen GKV-VStG wurde die Einführung der ambulanten Kodierrichtlinie (AKR) aufgehoben. Ursprünglich sollte sie parallel zum Morbi-RSA im Jahr 2009 eingeführt werden, um die Qualität der Diagnoseinformationen für die Durchführung der Versichertenklassifikation zu gewährleisten. In der Ärzteschaft stieß die drohende Implementierung der AKR auf regen Widerstand [1]. Die Aufhebung impliziert, dass die Kodierqualität hinreichend gut ist und es keiner zusätzlichen Intervention bedarf. Dem Klassifikationssystem des Morbi-RSA liegen ausschließlich gesicherte Diagnosen zugrunde. Die Kodierqualität wurde im Rahmen der Analyse deshalb für die „Zustand nach“ (Z)-Diagnosen untersucht. Hierfür wurden folgende Diagnoseschlüssel ausgewählt, welche jeweils ein gesichertes Substitut gemäß DIMDI besitzen:
I21.- Z (Akuter Myokardinfarkt), Substitut: I25.2- G (Alter Myokardinfarkt),
I25.- Z (Chronische ischämische Herzkrankheit), Substitut: I25.- G
I63.- Z (Hirninfarkt), Substitut: I69.3 G (Folgen eines Hirninfarktes),
I64.- Z (Schlaganfall), Substitut: I69.4 G (Folgen eines Schlaganfalls)
Methoden und Daten: Datenbasis der Analyse sind die Leistungsdaten der AOK PLUS (2,7 Mio. Versicherte) für die Jahre 2007 bis 2010. Es wurden ca. 350 Mio. Diagnosen ausgewertet, die von ca. 11.000 Ärzten in Sachsen und Thüringen dokumentiert wurden. Beurteilt wurde die Kodierqualität anhand der individuellen Diagnosedokumentation des Vertragsarztes, die über die neunstellige LANR auf die Facharztgruppe aggregiert wurde. Die im Auswertungsjahr dokumentierten Z-Diagnosen eines Arztes wurden ins Verhältnis zu seinem Gesamtdiagnoseaufkommen der betreffenden Diagnosen gesetzt. Eine ergänzende Beurteilungsperspektive bot die Auswertung der versichertenbezogenen Kodierhistorien.
Ergebnisse: Der Anteil von Z-Diagnosen lag bei ungefähr 4% der Gesamtdiagnosen. Die Dokumentation der ausgewählten Z-Diagnosen stieg seit 2007 kontinuierlich. Im I. Quartal 2007 bekamen 78.097 Versicherte (I21: 24.639, I25: 8.625, I63: 16.041, I64: 28.801) eine Z-Diagnose und im IV. Quartal 2010 91.796 Versicherte (I21: 29.823, I25: 8.838, I63: 20.835, I64: 32.300). In der Versichertenauswertung zeigt sich, dass es sich nicht um Kurzläufer handelt, sondern lange Patientenkarrieren zu verfolgen sind. 13.947 Versicherte (I21: 4.953, I25: 1.358, I63: 2.944, I64: 4.692) wurden mit einer vollständigen Kodierhistorie (16 Quartale) identifiziert. Dokumentiert wurden diese Diagnosen hauptsächlich (zu 75%) von Ärzten in hausärztlicher Tätigkeit (Allgemeinmediziner, Praktische Ärzte, Hausärztliche Internisten). Der t-Test auf die Mittelwertveränderungen der Hausarztgruppen ergab lediglich in der Diagnosegruppe I21.- zum 1%-Signifikanzniveau eine statistisch belastbare Verbesserung im Jahr 2010 zum Referenzjahr 2008 (vor Einführung des Morbi-RSA). Im Mittel wurden im Jahr 2010 74,0% der I21.-, 8,3% der I25.-, 61,8% der I63.- und 72,7% der I64.- Diagnosen falsch dokumentiert.
Schlussfolgerung: Die Analyse der Z-Diagnosen hat bestätigt, dass sich die Diagnosedokumentation in den Jahren seit Einführung des Morbi-RSA nicht verändert hat. Insbesondere in der Dokumentation von Folgezuständen einer Erkrankung zeigten sich erhebliche Unsicherheiten in der Wahl des richtigen ICD-Codes, die sich negativ auf die Validität und Allokationsfunktion des Morbi-RSA auswirken. Infolge der Verwendung der Z-Diagnosen werden Prävalenzen nicht detektiert und Kosten falsch zugeordnet. Ein gute Kodierqualität im ambulanten Vertragsarztbereich ist zudem von höchster Bedeutung, wenn es darum geht, Versorgungsforschung auf einer validen Datenbasis zu betreiben [2,3] und Leistungen im Rahmen der Kranken-/Pflegeversicherung zu gewähren [4]. In der ambulanten Kodierqualität zeigen sich erhebliche Defizite.
Literatur:
[1] Neuhauser, T (2011) Bundestags-Petition 15520: Ärzte – Stopp der ambulanten Kodierrichtlinien. Aufruf am: 01.04.2012. http://www.freie-aerzteschaft.de/pub/download/download.php? compid=141298&catid=1022
[2] Gerste B, Gutschmidt S (2006) Datenqualität von Diagnosedaten aus dem ambulanten Bereich – Kritische Anmerkung am Beispiel Diabetes. Gesundheits- und Sozialpolitik 3–4:10–24
[3] Swart E, Ihle P, Hrsg. (2005) Routinedaten im Gesundheitswesen: Handbuch: Sekundärdatenanalyse, Grundlagen, Methoden und Perspektiven. Huber, Bern
[4] Gerlach W, Popken H (2007) Das Krankengeld. 8. Auflage. Asgard, Sankt Augustin