Gesundheitswesen 2012; 74 - A99
DOI: 10.1055/s-0032-1322085

Konservierende und chirurgische zahnärztliche Versorgung in Deutschland

T Schäfer 1, A Schneider 1, R Hussein 1, FW Schwartz 1
  • 1Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), Hannover

Hintergrund: Seit dem Jahr 2010 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen die Abrechnungsdaten der kassenzahnärztlichen Vereinigungen leistungs-, versicherten und zahnbezogen, erstmals für das Bezugsjahr 2009. Ihre Nutzung für sozialmedizinische und gesundheitsökonomische Fragestellungen steckt erst in den Anfängen.

Daten und Methoden: Es wurden die pseudonymisierten Daten von mehr als 8 Millionen Versicherten der BARMER GEK ausgewertet, bezogen auf konservierende und chirurgische Leistungen sowie Röntgenleistungen (BEMA Teil 1) des Abrechnungsjahres 2010. Im Zentrum der Untersuchung stand die Inanspruchnahmerate, d.h. der Anteil der Versicherten mit mindesten einem Zahnarztkontakt im Jahr, der geschlechts- und altersstandardisiert berechnet und ggf. nach Leistungsart gegliedert wurde. Zur Interpretation regionaler Unterschiede auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte wurden ergänzende Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie einer Sonderauswertung des Mikrozensus 2010 hinzugezogen, aus denen erklärende Variable im Rahmen ökologischer Regressionsmodelle abgeleitet werden konnten.

Ergebnisse: Im Jahr 2010 hatten rund 70% der Bevölkerung mindestens einmal Kontakt zu einer Zahnarztpraxis. Die mittleren Kosten lagen bei 106,47 Euro pro Person. Es gibt signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Mit 73,9% ist die Inanspruchnahmerate bei den Frauen um 7,3 Prozentpunkte höher als bei den Männern. Die regionalen Disparitäten sind erheblich. So variiert die Inanspruchnahmerate auf Länderebene von 63,7% (Saarland) bis zu 78,9% (Sachsen). In den neuen Ländern ist sie um fast acht Prozentpunkte höher als in den alten, in den Stadtkreisen und kreisfreien Städten (trotz einer höheren Zahnarztpraxisdichte) um rund drei Prozentpunkte niedriger als in den Landkreisen. Die Unterschiede der Inanspruchnahme auf Kreisebene konnten im Rahmen einer ökologischen multiplen Regression mit einer erklärten Varianz von R2=72% durch Kombination folgender fünf Merkmale als Prädiktoren interpretiert werden: Indikator für die Lage in einem neuen Land, Stadtkreis-Indikator, Anteil von Personen mit Migrationshintergrund an der Wohnbevölkerung, Arbeitslosenanteil an der Wohnbevölkerung und Zahnarztpraxisdichte. Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder vom 30. bis 72. Lebensmonat wurde nur von 31,5% der Leistungsberechtigten in Anspruch genommen, was unter Gesichtspunkten der Prävention Handlungsbedarf signalisiert. Das Angebot der Individualprophylaxe an Kinder und Jugendliche von 6 bis unter 18 Jahren wurde von rund 68 der Leistungsberechtigten, und damit in deutlich höherem Maß angenommen. Zahnbezogen fanden wir im Ober- eine erheblich höhere Leistungsdichte als im Unterkiefer und die Mehrausgaben der Krankenkasse für Leistungen an Zähnen im Ober- im Vergleich zum Unterkiefer haben einen Anteil von 11,6% der Gesamtausgaben für zahnbezogene Leistungen. 8,6% der Zähne wurden trotz vorangegangener zahnerhaltender Maßnahmen im gleichen Jahr gezogen.

Schlussfolgerung: Die Leistungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen bieten die Möglichkeit, die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland – vielfach eine Basis für vertiefende Versorgungsforschung – auf den Bereich der zahnärztlichen Versorgung zu erweitern.

Literatur:

T Schäfer, A Schneider, R Hussein, FW Schwartz (2012). BARMER GEK Zahnreport 2012. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 13 (Hrsg. BARMER GEK) Asgard Verlagsservice GmbH, Schützenstraße 4, 53721 Siegburg