Gesundheitswesen 2012; 74 - A68
DOI: 10.1055/s-0032-1322054

Rehabilitationspräferenz, Rehabilitationsteilnahme und Rehabilitationsergebnis in Abhängigkeit vom Rehabilitationssetting bei der mitteldeutschen Bandscheibenkohorte

M Löbner 1, M Luppa 1, A Konnopka 2, HH König 2, L Günther 3, J Meixensberger 4, HJ Meisel 5, SG Riedel-Heller 1
  • 1Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig
  • 2Institut für Medizinische Soziologie, Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • 3Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Neurochirurgie, Leipzig
  • 4Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universität Leipzig
  • 5Klinik für Neurochirurgie, BG-Kliniken Bergmannstrost, Halle (Saale)

Hintergrund: Bandscheibenbedingte Erkrankungen sind weit verbreitet und häufig Ursache für akute aber auch chronische Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung. Nach einer operativen Behandlung eines Bandscheibenvorfalls erfolgt in Deutschland eine Rehabilitationsphase von 4 bis 6 Wochen mit körperlicher Schonung, schrittweiser Steigerung der Belastung und begleitender Physiotherapie: die Anschlussheilbehandlung (AHB) (Woischneck et al., 2000). Hierbei kann durch den Patienten sowohl ein stationäres als auch ein ambulantes Rehabilitationssetting gewählt werden. Bisher gibt es nur sehr wenige Studien, die den Rehabilitationserfolg in Abhängigkeit vom Rehabilitationssetting bei bandscheibenoperierten Patienten untersucht haben. Präsentiert werden Ergebnisse einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Längsschnittuntersuchung zu Rehabilitationspräferenz, Rehabilitationsteilnahme und Rehabilitationsergebnis in Abhängigkeit vom Rehabilitationssetting bei der mitteldeutschen Bandscheibenkohorte.

Methodik: 534 konsekutive Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren wurden im Akutkrankenhaus ca. 3,6 Tage (Mittelwert) nach der Bandscheibenoperation in Form von Face-to-Face Interviews befragt. Eine telefonische Follow-up-Befragung fand drei Monate später mit 486 Patienten statt (Dropout-Rate: 9%). Zum Einsatz kamen unter anderem Fragebögen zu Angst und Depressivität (HADS-D), zu gesundheitsbezogener Lebensqualität (SF-36), zur Schmerzintensität (Schmerzskala), zur subjektiven Erwerbsprognose (SPE-Skala) sowie Fragen zu den rehabilitationsbezogenen Maßnahmen und zur beruflichen Wiedereingliederung.

Ergebnisse: Drei Monate nach der Befragung im Akutkrankenhaus haben 93% der bandscheibenoperierten Patienten an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen. Von den Patienten, die sich für eine Rehabilitationsmaßnahme entschieden, waren 67,9% in einer stationären Reha-Einrichtung und 32,1% in einer ambulanten Reha-Einrichtung. Vor der Reha: Ambulante Rehabilitationspatienten waren signifikant jünger (p<,01), hatten signifikant häufiger Kinder unter 18 Jahren (p<,01) und waren signifikant häufiger ledig und seltener verheiratet (p<,01) als stationäre Rehabilitationspatienten. Stationäre Rehabilitationspatienten gaben zudem im Vergleich zu ambulanten Rehabilitationspatienten signifikant höhere Depressivitäts- und Angstwerte an (p<,05), berichteten eine signifikant höhere Schmerzintensität (p<,01) sowie eine signifikant schlechtere physische Lebensqualität (p<,05). Ambulante Rehabilitationspatienten gaben des Weiteren eine signifikant bessere subjektive Erwerbsprognose an (p<,01) als stationäre Rehabilitationspatienten. Keine signifikanten Unterschiede zwischen ambulanten und stationären Rehabilitanden zeigten sich bezüglich des Geschlechts, des Bildungstandes, des Berufsabschlusses, des aktuellen Berufsstatus sowie des Frühberentungsanteils im Akutkrankenhaus. Nach der Reha: Stationäre Rehabilitationspatienten gaben 3 Monate nach der Bandscheibenoperation im Vergleich zu ambulanten Rehabilitationspatienten signifikant höhere Depressivitäts- und Angstwerte an (p<,01), berichteten eine signifikant höhere Schmerzintensität (p<,01), eine signifikant schlechtere physische (p<,001) und psychische Lebensqualität (p<,01). Ambulante Rehabilitationspatienten hatten zudem drei Monate nach der Bandscheibenoperation ihre Berufstätigkeit signifikant häufiger wieder aufgenommen (p<,001), gaben eine signifikant bessere subjektive Erwerbsprognose an (p<,001) und berichteten von einer signifikant geringeren Anzahl von Krankentagen in den letzten drei Monaten (p<,001) als stationäre Rehabilitationspatienten.

Diskussion und Ausblick: Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Patienten (93%) eine AHB nach der Bandscheibenoperation in Anspruch nimmt. Etwa zwei Drittel der Patienten nehmen dabei an einer stationären AHB teil. Die präsentierten Studienergebnisse verweisen auf signifikante Unterschiede bezüglich der psychischen Belastetheit, der Schmerzintensität sowie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zwischen den ambulanten und stationären Rehabilitanden bereits in der Akutklinik vor Antritt der AHB, als auch drei Monate nach der Reha. Ein genauer Wissensstand zu Patientenunterschieden in unterschiedlichen Rehabilitationssettings könnte Rehabilitationseffekte verbessern und eine Wiedereingliederung in das Berufsleben vereinfachen.

Literatur:

Woischneck D, Hussein S, Rückert N, Heissler HE (2000): Einleitung der Rehabilitation nach lumbaler Bandscheibenoperation: Pilotstudie zur Entscheidungsfindung aus Sicht der operierenden Klinik. Rehabilitation, 39. 88–92.